Gewinnt ihr regelmäßig gegen euren Bruder bei Need for Speed und gegen euren Vati auch? Haltet ihr euch deswegen für einen begnadeten Fahrer? Dann solltet ihr mal eine richtige Rennsimulation im Internet gegen richtige Experten spielen. Dann wißt ihr nämlich, wie schlecht ihr eigentlich seid. So erging es jedenfalls mir.
Ihr wißt sicher, wie heute Spiele enwickelt werden. Falls nicht, der Onkel erzähl's euch ;-)
Da werden als erstes megalgeile Stilleben gerendert. Diese werden dann "Screenshots" genannt. Als nächstes werden diese "Screenshots" ins Netz gestellt ohne, daß auch nur eine Zeile Code programmiert wurde.
Wenn alle denken, daß es das geilste und innovativste Computerspiel aller Zeiten werden wird, vergehen erstmal fünf Jahre. Damit man das Spiel nicht völlig vergißt, heitzen die Fachmagazine die Meute in regelmäßigen Abständen mit weiteren "Screenshots" an.
Irgendwann kommt das Spiel dann eventuell raus, falls die Programmierer überhaupt noch Bock hatten, eine halbwegs spielbare und wenigstens bis zu einem gewissen Grade fertige PC-Version für den Verkauf zu compilieren. Bzw manchmal erbarmt sich auch einer und drückt den "Convert PS2-to-PC-Knopf", um uns PC-Spieler mit einer Konsolenumsetzung zu beglücken - selbstverständlich ohne Multiplayer. Bis dahin war die Firma schon zum soundso vielsten Male verkauft, das Projekt schon längst gecancelt, die Crew schon mehrfach ausgewechselt und sowieso - wegen diverser Konsolenversionen, die schon lange vor der PC-Version draußen sind, hat keiner mehr Bock auf das Game. Dann muß natürlich mal wieder der böse Raubkopierer seinen Kopf hinhalten, der in der Tat böse ist, weil er sich den Schund gezogen aber nicht gekauft hat.
Bevor ich jetzt in die falsche Richtung abdrifte: So oder so ähnlich läuft es fast immer. Nicht so bei Live for Speed! Das Ding war plötzlich und ohne große Ankündigung da und ist eingeschlagen wie eine Bombe. Es gibt inzwischen über 25.000 User der Vollversion und eine große Online-Community - es sind immer so zwischen 40 und 400 Leute online. Live for Speed ist ständig in der Entwicklung und eigentlich nie fertig. Es gibt auch nur drei Entwickler. Trotzdem hat das Spiel weniger Bugs, als alle anderen Spiele zusammen! Hab' ich das jetzt schön ausgedrückt? Naja, ihr wißt, was ich meine. Und die Entwickler haben im englischen Forum ein offenes Ohr für jedes Problem und reagieren mit Updates.
Realismus
Der Schwerpunkt liegt auf Multiplayer, Realismus und Tuning. Wie fährt sich LfS? Man kann es eigentlich nicht mit irgend einem anderen Rennspiel vergleichen. Am ehesten läßt sich die Fahrphysik von LfS mit einem echten Auto vergleichen. Das Tuning ist wirklich extrem umfangreich, denn man kann so ziemlich alles am Wagen einstellen, was es gibt. Die Tunigs darf man dann abspeichern und sind auch rennentscheidend. Die ganze Physik ist so realistisch, daß man sogar Reifenverformungen sieht, wenn man sie nicht bis zum Anschlag aufpumpt.
Wie es sich für eine echte Simulation gehört, steuert man LfS vorzugsweise in der Cockpit-Perspektive. Das geile dabei ist, daß sich der virtuelle Kopf immer in die Richtung dreht, in die man steuert. Dadurch hat man im Gegensatz zu den allermeisten Rennspielen den Streckenverlauf immer gut im Blick. Diese Option muß man allerdings im Setup erst aktivieren - unbedingt dran denken!
Grafik
Wenn LfS überhaupt einen Schwachpunkt hat, dann ist es die Grafik. Die ist nämlich etwa auf den Stand von vor zwei Jahren. Aber laßt euch davon nicht abschrecken: Die Grafik ist durchaus ansehnlich und erfüllt ihren Zweck vollkommen, da die Sichtweite hoch ist und auch nichts störend aufpoppt. Die Grafik ist blos etwas eckig und farbarm. Die Autos haben keine durchsichtigen Scheiben, und es gibt auch keine großen Spezialeffekte wie wandernde Wolken, Flugzeuge am Himmel oder Leuchtreklame. Immerhin gibt es wehende Fahnen, die dann aber auch wirklich eine Funktion haben: "Capture the Flag" denkt ihr jetzt bestimmt. Aber nichts dergleichen! Sie zeigen die Windstärke und Richtung an, was wiederum für's Fahrverhalten wichtig ist. Es gibt keine Karosserie-Verformungen, aber das steht ganz oben auf der To-Do-Liste der Entwickler.
Die Grafik ist übrigens auf 16 Bit-Farben optimiert und sollte auch nicht auf 32-Bit geändert werden, weil es nichts bringt.
Nebenbei: Daß die Grafik nicht so toll ist wie die von NfS-Overground hat aber auch einen Vorteil: Die Rennen laufen mit standardmäßig gelockten 66 f/s und sinken nicht unter 30 f/s, auch dann nicht wenn viele Teilnehmer im Rennen sind. Zumindest ist das auf meinem Mittelklasserechner so (1024x768 4XAA). Und es bleibt noch genügend CPU-Zeit übrig für nützliche Hintergrundprogramme wie Winamp oder ein Voice-Kommunikations-Tool.
Sound
Der Sound haut vielleicht nicht jeden vom Hocker, jedenfalls haben sich in Foren schon einige negativ darüber geäußert. Ich finde ihn allerdings sehr realistisch, soweit ich das überhaupt beurteilen kann. Wann durfte ich im echten Leben schonmal einen Rennwagen fahren?
Multiplayer
Natürlich kann man LfS auch alleine spielen - die KI ist super und lernt sogar dazu, sprich wird immer schneller. Aber die wahre Stärke liegt im Multiplayer - Online oder LAN. Fünfzehn Spieler können online gleichzeitig fahren. Die Server werden nicht von den Entwicklern gestellt, sondern es handelt sich meist um dedizierte Server von LfS-Clans oder Fans (siehe Screenshot). Man kann natürlich auch selber einen Server aufmachen. Die Online-Rennen machen enorm viel Spaß, weil man einfach spürt, daß das Spiel einen optimalen Netzcode hat, vorausgesetzt die Pings zu den anderen Spielern stimmen - logisch.
LfS funktioniert übrigens ganz prima auch hinter einem Router und sogar mehrere Leute, die hinter dem selben Router sitzen, können gleichzeitig im selben Rennen fahren! Ist gar kein Problem, ich hab's selber ausprobiert. AoC beispielsweise zickt schon rum, wenn nur zwei Leute hinterm selben Router am selben Spiel teilnehmen wollen. Oder anders gesagt: Kannste glatt vergessen.
Steuerung
Alle denkbaren Eingabegeräte (auch FF) werden perfekt unterstützt. Selbst die Tastatur-Piloten werden erstaunt sein, wie gut die LfS-Entwickler die digitale Eingabe auf die analoge Steuerung eines Autos tranportiert haben. Ich spiele LfS übrigens nach anfänglichen Versuchen mit der Maus jetzt mit einem Lenkrad, wie es sich für eine Simulation gehört.
Umfang
Leider etwas dürftig: Es gibt nur drei im Grafikstil unterschiedliche Areale mit jeweils ca. zehn Strecken. Nebenbei bemerkt, bei NFS-Underground gibt's nur eins, EA setzt neuerdings auf Minimalismus. Dazu gibt's eine Autocross- und eine Speedstrecke. Weiterhin hat man die Wahl zwischen acht Autos, die sich aber im Fahrverhalten sehr deutlich unterscheiden. Natürlich gibt es bei einer Simulation dieser Art mit Schwerpunkt Multiplayer keine Storyline oder gar Videosequenzen.
Immerhin gewinnt man bei Erfolg Punkte und darf damit mehr Autos freischalten. Dies gilt für Single- wie für Multiplayer gleichermaßen, also im Singleplayer Punkte sammeln, um dann im Multiplayer mit den schnelleren Karren fahren zu dürfen. Übrigens hatte ich keinen Cheat für LfS auftreiben können. Ich wollte natürlich nicht üben, sondern gleich in die vollen gehen - Pustekuchen. Ist aber auch gut so, denn damit ist garantiert, daß man erstmal ein Bißchen mit den langsameren Autos übt, bevor man mit zuviel PS unterm Hintern auf die Öffentlichkeit losgeht.
Ach ja sowieso, wer denkt, er kann online mal so eben Rennen gewinnen, wird sich wundern, was für Experts er in der LfS-Community findet. Also, die fahren da um Hundertstel, nicht daß sich hier jemand Illusionen macht, er könne da mal eben wie an Papi vorbeidüsen, nebenbei 'ne Sunkist-Tüte lutschen und trotzdem noch mit 'ner Minute Vorsprung ins Ziel fahren. Wollte ich nur gesagt haben.
Komfort
Das komfortabelste Spiel, das ich kenne! Das fängt schon bei der Installation an: Einfach irgendwohin entzippen, fertig. Kein System- oder Registry-Zugemülle. Und sämtliche Settings (aber auch wirklich alles!) kann man während des Rennens ändern. Z.B. Grafiksettings, Auflösung usw., Steuerung, Wagen-Tuning - einfach alles ändern, ohne das Auto auch nur zu verlassen. Überhaupt kann man alles einstellen - bis zur Farbe der Tachonadel.
Nicht im Laden erhältlich
Live for Speed ist wie viele Geheimtips nicht im Kaufhaus erhältlich, sondern muß downgeloadet, online bestellt und per Überweisung oder Karte bezahlt werden mit 18 Euronen. Am besten bei
www.live-for-speed.de, wer eine Kreditkarte hat, kann auch direkt beim Entwickler
www.liveforspeed.com ordern.
Die ganze Freischaltungsprozedur ist leider etwas kompliziert: Nachdem man geordert, bezahlt und per Email einen sogenannten "Voucher Code" erhalten hat, darf man sich damit auf der Hauptseite
www.liveforspeed.com offiziell als Fahrer registrieren. Man erhält jetzt einen Key oder auch mehrere, falls man mehrere Rechner hat. Mit einem Key darf man die Software auf einem Rechner, der online sein muß, innerhalb einer Stunde nach erhalt des Keys freischalten. Es ist durchaus erwünscht, daß im LAN zuhause die ganze Familie mit nur einer Lizenz gegeneinander zockt, online darf aber nur einer zur Zeit fahren. Ansonsten muß man sich eine weitere Lizenz kaufen. Wobei ich schon mehr Geld als 18 Euro für schlechtere Programme ausgegeben habe.
Schnorrer unerwünscht
Warum diese Tortur mit der Aktivierung? Auf jeden Fall ist eines 100% sicher: Warez-User müssen draußen bleiben, und das bedeutet weniger Idioten und Kiddies. Dafür nimmt man gerne die Hürde in Kauf, weil man hinterher umso mehr Spaß hat. Ich sag' als Abschreckung nur: MS"Tummelplatz-für-Vollidioten"-Gamingzone!
Auch das Kopieren von einer freigeschalteten Version auf einen anderen Rechner könnt ihr knicken, da hardwareabhängig. Natürlich könnte man sich einen Crack runterladen. Aber damit fällt online fahren flach, und man kommt nicht in den Genuß dessen, was noch kommt, und da haben die Entwickler einiges vor.
Netter Nebeneffekt bei dem ganzen: Kein Generve mit CD. Und keine Angst: Bei neuem Betriebsystem oder neuem Rechner könnt ihr euer Programm wieder freischalten, denn es gibt extra für diesen Zweck automatisch pro Monat drei neue Keys.
Demo
Wer noch nicht überzeugt ist, sollte sich trotzdem unbedingt die 43 MB schwere Demo auf
www.liveforspeed.com ziehen. Damit kann man schon prima online zocken. Einschränkungen hat die Demo nur im Umfang (Strecken, Autos), nicht aber in der Funktionalität.
Noch besser aber man zieht sich gleich die 142 MB schwere Vollversion. Diese fungiert bis zur Aktivierung als Demo, und man kann schonmal Punkte sammeln für später.
Fazit
Holt euch für 18 Juro die beste Rennsimulation, die es gibt! Weil erstens gibt es unter den ganzen auf Abzocke ausgerichteten und verbuggten Wucherpreis-Titeln (EA, Microsoft) eh keine Alternative für Simulationsfans, und zweitens unterstützt ihr ein auf Qualität und Enthusiasmus bauendes Prinzip der Softwareentwickling.
Screenshots