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31.07.2014, 13:00

einheitswissenschaft vs ausdifferenzierung

hier greife ich tas thema aus dem paperthread wieder auf atrox worf fordert zunächst "die abschaffung von ~ 1/3 aller studiengänge sowie die methodische einengung auf ein empirizistisches paradigma bei einem weiteren drittel" bringt dann im andenken an axel stolls forderung einer reduzierung der wissenschaftswelt auf 3 wissenschaften, folgende position ein:


Im Prinzip nur eine, alles andere sind ja nur willkürliche Klassifikationen der allgemeinen Wissenschaft. Meinetwegen dazu noch Mathematik als abstrakte Denk/Logikübung.

Alles andere können zwar nette Zeitvertreibe sein, gehören aber nicht zur Wissenschaft. Das heißt ja aber nicht, dass man sich nicht trotzdem damit beschäftigt.
nun das thema erscheint mir doch spannender als zunächst gedacht
ist eine künstliche ausdifferenzierung den forschungsgegenständen unangemessen? wie sollte der methodenkanon einer einheitswissenschaft sein? ist theoriearbeit erwünscht? welche fächher wären überhaupt in welcher form betroffen? werden die germanisten protestieren? und die kunstwissenschaftler? vielleicht freuen die sich, adorno hätte interessanterweise zugestimmt, er sieht sogar kunst und "die" wissenschaft als untrennbar, als einen gegenstand: "Kunst ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein."
ist die einheitswissenschaft ein reaktionäres herrschaftsinstrument? ist sie im gegenteil sehr fortschrittlich und wird bedeutende zusammenhänge aufdecken? wird sie uns von den adornos befreien? oder im gegenteil die adornos zu den wortführern machen?

Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von »Rommel« (31.07.2014, 13:10)


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31.07.2014, 13:48

Unis gibt es, um zu kontrollieren, was die Menschen wissen und was sie wissen sollen. Ich gehe manchmal in die UB. Ich kann schon anhand der Bücher, die vorhanden sind, sagen, was der Lehrstuhl bezwecken möchte. Da gibt es leider frappierende Unterschiede. Ich frage mich dann oft, wie kann man zu einem bestimmten Thema überhaupt seriös forschen, wenn man dazu bestimmte Bücher einfach hartnäckig ignoriert?

Hinzu kommt noch der immer weiter fortschreitende Ökonomisierungszwang. Es wird nur noch geforscht, wo ein Privater für zahlen will. Das ist einfach nur tödlich. Kreativität wird systematisch getötet, weil es die Menschen aufmüpfig macht. Damit töten sie auch die Wissenschaft. Das ist hier teils auch ein Thema:

http://www.youtube.com/watch?v=GYvtnhsH4…3Fs5EOtjMK3i2AQ

Die wollen aus euch Sklaven machen, nicht nur Arbeitssklaven, sondern auch geistig, damit ihr richtig funktioniert.

3

31.07.2014, 14:07

Ich spreche mich nicht gegen eine Ausdifferenzierung von Wissenschaft aus, wo sie sinnvoll erscheint. Wenn man DNA untersucht ergeben sich weitgehend andere Fragestellungen als wenn man soziale Systeme untersucht.

Ich sehe den Prozess Wissenschaft als die Menge aller Methoden, welche geeignet sind unser Wissen über die real existierende Welt zu vermehren. Dazu formuliert man Aussagen über Modellgültigkeit in der realen Welt. Natürlich werden diese Aussagen nicht den kompletten Teilaspekt der Welt abbilden können, Modelle sind nur vereinfachte Abbildungen der Wirklichkeit. Aber einige Modelle haben deutlich allgemeine Gültigkeit als andere und sind insofern besser, als das sie mehr von der Welt erklären bzw. diese besser erklären.

Untrennbar verbunden mit Wissenschaft muss für mich ein Mechanismus sein, welcher prinzipiell erlaubt zwischen der Güte von unterschiedlichen Modellen zu unterscheiden. Dieser Mechanismus muss letztlich in direkter Beziehung zur realen Welt stehen, da nur diese das Feedback geben kann, ob ein Modell gut oder schlecht ist. Vulgo, Wissenschaft braucht eine, wie auch immer geartete, Form des Experiments als Rückkoppelung mit dem Untersuchungsgegenstand!

Diese Sichtweise ist natürlich von den Naturwissenschaften geprägt, allerdings nicht ohne Grund. Wenn es Hauptsinn der Wissenschaft sein soll zwischen wahren und falschen Aussagen über die Welt, oder besser, zwischen verschiedenen Erklärungen über die Welt, zu entscheiden, dann ist eine Rekurrenz auf die reale Welt notwendig!

Wenn ein Sytem (ich nenne es bewusst nicht Wissenschaft) dazu nicht in der Lage ist, so kann es auch letztinstanzlich nicht zwischen wahr/falsch oder besseren/schlechteren Modellen unterscheiden. Für mich verliert solch ein System den definierende Eigenschaft und den Grundcharakter von Wissenschaft, ergo kann es keine Wissenschaft sein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in einem Teilgebiet Methoden (oberflächlich) ebenso benutzt werden wie in einer Wissenschaft. Sorgfalt in der Arbeit und gewissenhaftes zitieren machen eine Arbeit nicht zu einer wissenschaftlichen, sondern die behandelte Fragestellung. Es gibt natürlich einen umfangreichen Katalog an Methoden, deren sinnvolle Anwendung die Wissenschaftlichkeit sicher stellt - da sie praktisch nicht sinnvoll auf nicht-wissenschaftliche Fragestellungen angewendet werden kann. Statistische Methoden seien hier als Beispiel genannt.

Ich glaube zudem, dass es für das wissenschaftliche Selbstverständniss ungemein wichtig ist immer wieder Modelle kritisch zu testen. Karl Popper hat hier sicher einen großen Einfluss, wobei Falsifizierbarkeit kein operationalisierbares Konzept ist. Aber statistsche Tests zu Signifikanzniveaus kommen der Grundidee sehr nahe, sind aber natürlich genaugenommen nur Aussagen basierend auf bestimmten (mit diesem Test nciht testbaren) Modellannahmen. Aber diese kann man eventuell mit anderen Tests teilweise testen. So dass man in einem iterativen Prozess dennoch Sicherheit über das Wesen der Welt gewinnt.

Letztlich sucht man in der Wissenschaft immer nach Invarianzen, d.h. nach Gesetzmäßigkeiten. Damit etwas eine Gsetzmäßigkeit ist, muss es bzgl. mindestens einer (realen) Eigenschaft invariant sein. Naturgesetzte sind bzgl. Raum und Zeit invariant, bei identischen sonstigen Bedingungen (zumindest nach heutigem Kenntnissstand). Man kann durchaus auch sinnvoll Gesetzmäßigkeiten konditional zur Gültigkeit von gewissen Annahmen untersuchen oder Systeme, welche sich im Verhältnis zum Untersuchungsgegenstand nur sehr langsam strukturell verändern. Dies macht man bspw. in den Sozialwissenschaften.

Bei der Untersuchung eines literarischen Werks fallen viele wissenschaftliche Konzepte in sich zusammen, weil es keinen externen Mechanismus gibt um den Wahrheitsgehalt einer Aussage bzw. konkurrierende Modelle miteinander zu vergleichen. Nur rein interne Vergleiche anhand Kriterien reichen halt nicht aus.

Die Rekurrenz auf eine reale Welt begint imho auch, dass wissenschaftliche Aussagen objektiv in dem Sinne sind, als sie übersubjektiv sind. Meiner Meinung nach kann eine wissenschaftliche Aussage (welche nicht gerade den Untersuchungsgegenstand dieses speziellen Mensches hat) nicht subjektiv von Menschen abhängen. Es sollte ohne den einzelnen Menschen trotzdem noch wahr sein, d.h. speziell nicht von ihm abhängen. Wahrheit ist auch kein demokratischer Prozess des Abstimmens.

Ich habe nichts per se gegen Geisteswissenschaften. Nur ihr Wissenschaftsbegriff ist so schwach, dass er wichtige Eigenschaften nciht mehr enthält, welche ich an Wissenschaft stellen würde. Also muss man dann auch so ehrlich sein und die Konsequenzen daraus ziehen. Die können imho nicht daran liegen den Wissenschaftsbegriff beliebig aufzuweichen, sondern im Gegenteil, wissenschaftliche Fragestellungen von nicht wissenschaftlichen Fragestellungen abzugrenzen.

Zum Thema, Cargo Cult Sciene von Richard Feynman zur Unterscheidung von echter Wissenschaft und einem Imitat derselben.

Und noch einmal Feynman zur wissenschaftlichen Idee:

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (01.08.2014, 17:14)


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31.07.2014, 14:23

der text ist zu lang ich versuche ob ich die essenz verstanden habe
1. kriterium für wissenschaftlichkeit ist das an der naturwissenschaft ausgerichtete experiment.
2. analysen literarischer werke sind geisteswissenschaft und im engeren sinne gar keine wissenschaft

den teil zu sozialwissenschaften hab ich nicht so ganz verstanden
was ist denn zb mit geschichtsforschung?
und wie soll man das mit echten experimenten in gesellschaftswissenschaften machen?

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31.07.2014, 15:09

@1. Das Experimente notwendig sind ist eher eine Folgerung. Es muss einen Mechanismus geben, um zwischen Modellen hinsichtlich ihres Erklärungsgehalts zu differenzieren (Forderung). Dieser Mechanismus muss letztlich mit der realen Welt rückkoppeln (Schluss).

@2. Ja, eigentlich für mich auch im weiteren Sinne. Da ein Mechanismus fehlt zu entscheiden welche Theorie (nicht-subjektiv) besser als andere ist, können wir nie wirklich mehr Wissen bzw. einer, wie auch immer aussehenden, Wahrheit annähern.

Geschichtsforschung kann, in engen grenzen, durchaus wissenschaftlich sein. Dabei ist imho weniger das Ziel möglichst genau rauszubekommen was irgendwann passiert ist, sondern Regelmäßigkeiten aufzuzeigen. Turchin ist manchmal etwas extrem, aber er hat sich zumindest mal tiefgreifend Gedanken gemacht und auch danch gehandelt. Sein Buch "Histroical Dynamics" liest sich ganz lustig, aber ist nur Stückwerk.
Zu Cliodynamics 2 Links: wikipedia und info

In Gesellschaftswissenschaften kann man eingeschränkt Experimente machen, indem man Daten vor und nach einem Ereignis untersucht. Man kann die Experimentalbedingungen nicht selbst variieren, aber das ist nicht das grundlegende eines Experiments. Es geht letztlich nur darum mittels realer Daten Evidenz für/gegen etwas aufzeigen zu können, d.h. seine Theorien an der Realität zu testen. Je schmutziger die Realität und je unreiner das Experiment, desto schwieriger ist es - aber prinzipiell dennoch möglich. Und nur darum geht es.

Aussagen über bspw. Vermögensverteilungen oder Vermögensveränderungen von Gruppen kann man testen, ihre Zeithorizont vor dem aktuellen Wirtschaftssystem ist auch kurz genug. Man muss ja auf das aktuelle (oder vergangene) gesellschaftliche System bedingen. Dies bedeutet Aussagen aus den Sozialwissenschaften bedürfen einem Kontext bzw. Modellannahmen, die deren Gültigkeit eingrenzen. Muss ja bspw. für Aliens nciht gelten oder für eine menschliche Ökonomie/Gesellschaft in 10.000 Jahren. Das ist aber ok.

6

31.07.2014, 16:44

Worf, wie mir scheint, ist dein Problem einfach, dass dein Wissens- und Wissenschaftsbegriff einfach viel zu eng ist. Bevor du also mal wieder damit anfängst, den Großteil der Geisteswissenschaften pauschal als unwissenschaftlich abzustempeln, wahrscheinlich ohne dich mit interenen Diskussionen zu Theorien, Methoden und wissenschaftlichen Standards im Detail auszukennen, würde ich dich doch erstmal bitten, sowohl deinen Wissensbegriff als auch deinen Wissenschaftsbegriff zu definieren.

7

31.07.2014, 16:56

http://de.wikipedia.org/wiki/Cargo-Kult-Wissenschaft


„Auf den Samoainseln haben die Einheimischen nicht begriffen, was es mit
den Flugzeugen auf sich hat, die während des Krieges landeten und ihnen
alle möglichen herrlichen Dinge brachten. Und jetzt huldigen sie einem
Flugzeugkult. Sie legen künstliche Landebahnen an, neben denen sie Feuer
entzünden, um die Signallichter nachzuahmen. Und in einer Holzhütte
hockt so ein armer Eingeborener mit hölzernen Kopfhörern, aus denen
Bambusstäbe ragen, die Antennen darstellen sollen, und dreht den Kopf
hin und her. Auch Radartürme aus Holz haben sie und alles mögliche
andere und hoffen, so die Flugzeuge anzulocken, die ihnen die schönen
Dinge bringen. Sie machen alles richtig. Der Form nach einwandfrei.
Alles sieht genau so aus wie damals. Aber es haut nicht hin. Nicht ein
Flugzeug landet.“

Was soll man davon halten ... ?

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31.07.2014, 17:25

Worf, gerade dir als Mathematiker fehlt doch jeder Bezug zum realen Leben. Dir als Wirtschaftswissenschaftler nicht, ist schon klar. Aber nach deinen Kritikpunkten ist Mathematik selbst keine Wissenschaft, da der Untersuchungsgegenstand nicht mit realer Evidenz be- oder widerlegt werden kann. Man kann es, wie es an einigen Unis ja gemacht wird, den philosophischen Fächern zuordnen. Und solches gehört ja nun abgeschafft da max unwissenschaftlich
Zitat von »Lesmue« Wenn ich 2 Abende in der Woche mal Ruhe vor Frau,Freundin,Kindern usw hab will ich einfach ganz entspannt am Rechner was daddeln und mir dabei 3 Weizen in den Kopf jagen, und mit Kumpels dummes Zeug in Skype labern.

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31.07.2014, 17:45

also grad für den soziologischen/ökonomischen/politologischen bereich bin ich da tatsächlich gespalten.

1. einerseits gibt es wirklich viele die sehr viel mist reden und meistens sogar alles mögliche nur aus theorien holen wie spachphilosophie, semioitik, semantik oä was eigentlich aus der literaturwissenschaft kommt und keinerlei bezug zur realität hat (was auch nicht nötig ist denn nach deren auffassung erschafft die sprache die realität erst, das funktioniert bei literarischen werken in der tat ganz gut). halt ich für soziologisch ökonomisch und politisch nur sehr bedingt brauchbar. andererseits bedienen sich halt die ganzen interessengruppen hiervon, etwa gender oder die politicsch korrekten, einfach weils ihnen für ihre persönlichen positionen gut in den kram passt (evtl wäre grad hier wäre eine theorie der theorieentwicklung- nutzung und -nutzen von interesse).

2. andererseits sind hier kontrollierte experimente praktisch unmöglich, man hat fast immer nur daten post hoc, daher würd ich sagen hier ist historische forschung auch sehr wichtig, archeoligie, kulturvergleichende, qualitative, ethnologische vergleiche uä, unnötig sich da methodisch einzugrenzen auf methoden die zu einem faktischen stillstand führen.

3. weiterhin ist die interpretation sozialwissenschaftlicher daten fast immer theorieabhängig, je nach theorie können die ganz anders gelesen werden. daher würde ich den bereich der theoriearbeit und insb theorievergleich und das transparente arbeiten mit paradigmen favorisieren. worf zb vertritt ja gerade das paradigma poppers, wozu umfangreiche diskussionen bestehen und vor und nachteile bzw nützlichkeit und probleme herausgearbeitet wurden. diese diskussionen sind der empirischen arbeit vorgelagert und damit nicht prinzipiell unwissenschaftlich würd ich sagen. für das unter 1. genannte problem wäre dies evtl auch hilfreich, also die offenlegung der paradigmen sowie der möglichkeit deren prinzipieller infragestellung.
ein übergeordneter disziplinunabhängiger diskussionszusammenhang macht hier allerdings in der tat sinn denn die verschiedenen paradigmen greifen meistens für jeweils sämtliche sozialwissenschaften und nicht nur für unterdisziplinen

Dieser Beitrag wurde bereits 9 mal editiert, zuletzt von »Rommel« (31.07.2014, 20:32)


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01.08.2014, 10:37

Worf, gerade dir als Mathematiker fehlt doch jeder Bezug zum realen Leben. Dir als Wirtschaftswissenschaftler nicht, ist schon klar. Aber nach deinen Kritikpunkten ist Mathematik selbst keine Wissenschaft, da der Untersuchungsgegenstand nicht mit realer Evidenz be- oder widerlegt werden kann. Man kann es, wie es an einigen Unis ja gemacht wird, den philosophischen Fächern zuordnen. Und solches gehört ja nun abgeschafft da max unwissenschaftlich

Ich habe zwar Mathe studiert, sehe Mathematik selbst aber nicht als Wissenschaft an. Aber sie ist als Logiksprache eine überaus sinnvolle Methodik für Wissenschaft. Wenn man als Biologe lernt wie man DNA-Sequenzen isoliert etc., dann ist das auch nur Methodik und keine Wissenschaft. Die Anwendung dieser Methodik kann aber wissenschaftliche Fragestellungen generieren bzw. Evidenz sammeln.

@Ede: Genau darum geht es, die bloße immitation von etwas, hier Wissenschaft, ist keien Wissenschaft. Die Methodik macht etwas noch nicht zur Wissenschaft, siehe Theologen.

@Kastor: Ich muss mich mit der Diskussion nicht im Detail auskennen, um grobe Fehler zu sehen. Und so wie ich Wissenschaft definiert habe, sind viele geisteswissenschaftliche Untersuchungen eben prinzipiell nicht-wissenschaftlich. Sie können ja trotzdem partikular subjektiv interessant sein, keine Frage. Aber man müsste Wissenschaftlichkeit über die Methodik definieren oder zulassen, dass man nicht nach einer "Wahrheit" sucht, sondern nur nach einem Konsenz. Wem dies genügt - mir nicht! Dann kommt man zu solchen Ideen wie von Foucault und schlimmer, von Lyotard, welche in ihrer Anwendung letztlich wissenschaftsfeindlich sind.

@Rommel:
@1: Sehe ich ähnlich.
@2: Wie ich schon schrieb braucht man nicht notwendigerweise kontrollierte Experimente, das wichtige ist der prinzipielle Abgleich der Theorien mit realen Daten. Die mögen noch so verunreinigt und unisoliert vorliegen, letztlich kann man aus ihnen dennoch eine Tendenz herauslesen. Die Richtung umkehren werden die Verunreinigungen meistens nicht können.
@3: Das ist zu einem gewissen Grad etwas dran, aber ich würde dies weit weniger so sehen wie du. Gehaltsdaten sind erstmal Gehaltsdaten, egal wie man dazu steht. Legt man die Menge aller Theorien zugrunde, welche unter dem Paradigma "wissenschaftlich" zu nennen sind, dann würde ich den Positivismus als (echte) Teilmenge des kritischen Rationalismus nach Popper sehen. Der geht mir schon etwas zu weit. Ich meine Sichtweise als Synthese der beiden zuvor betrachten. Sinnvolle wissenschaftliche Aussagen sind nur die kleinere Menge der positivistischen, allerdings sollte diese kleinere Menge an Aussagen dann der Falsifikation unterzogen werden. Wobei man in der Wissenschaftspraxis eher auf partielle (theoriegestützte) Verifikation trifft. Das ist das Problem der Falsifikation, sie lieft kein operationales Mittel zur Anwendung.

Interessant ist natürlich sich an dieser Stelle mit Wittgenstein zu beschäftigen. Ich sehe es ungefähr so wie in seinem ersten großen Werk, seinem zweiten kann ich nicht mehr wirklich zustimmen. Da entfernt er sich auch genau von den Fragen, welche er im ersten Werk als wissenschaftlich (in meiner Sprache) identifiziert hat weil er meint, nur andere Fragen wären wirklich interessant.

Diskussion bzw. theoretischen Vergleich von Modellen bzw. von Modellgültigkeit finde ich wichtig. Allerdings gibt es teilbereiche, wo man nichts anderes mehr macht. Es gibt viele Soziologen, welche mir sagen können was alles falsch läuft, wenn man das GDP berechnen will. Aber wenn man eine Maßzahl für Wirtschaftswachstum haben will, dann können sie keine nennen. Wissenschaft muss auch konstruktiv in dem Sinne sein, dass man Theorien gegeneinander antreten lässt und die leistungsfähigere bzgl. einer konkreten Fragestellung gewinnt. Nur immer Theorien unkonstruktiv zu kritisieren führt irgendwann nicht weiter. Hier geht es mir um rein theoretische, nicht-mathematische Kritik, welche nicht-empirisch ist. Empirische Falsifikation ist natürlich hochwillkommen, das Aufzeigen mathematischer Grenzen oder Inkonsistenz ebenfalls. Nur irgendwas über "Machtgefüge" zu faseln reicht imho nicht. Ja, man hat in einem Modell nicht alles berücksichtigt, aber das will man auch gar nicht!

Ich denke, anhand meiner Kriterien, dass die Diskussion über wissenschaftliche Methodik selbst nciht wissenschaftlich ist. Dennoch ist sie sehr fruchtbar, da sie zu besseren Methoden führt, welche größere wissebnschaftliche Entdeckungen versprechen, siehe Mathematik.

Ich denke letztlich sollte die Gültigkeit einer wissenschaftlichen Aussage nciht von einem Paradigma abhängen. Die Aussage muss nicht nur widerspruchsfrei innerhalb des Paradigmas sein, sondern vor allem die reale Welt gut beschreiben. Daher sind mir Paradigmen ziemlich egal und mich interessiren im Allgemeinen nur Aussagen, welche prinzipiell empirisch testbar sind. Über den Rest kann man viel reden, aber letztlich ohne die Chance zu haben den Wahrheitsgehalt zu verifizieren.

11

01.08.2014, 13:22

Ich habe zwar Mathe studiert, sehe Mathematik selbst aber nicht als Wissenschaft an. Aber sie ist als Logiksprache eine überaus sinnvolle Methodik für Wissenschaft. Wenn man als Biologe lernt wie man DNA-Sequenzen isoliert etc., dann ist das auch nur Methodik und keine Wissenschaft. Die Anwendung dieser Methodik kann aber wissenschaftliche Fragestellungen generieren bzw. Evidenz sammeln.
Aber wenn du den Gedanken weiter spinnst, dann eliminierst du auch sehr viele Teilgebiete der empirischen Wissenschaften. Denn die Entwicklung von Methodik ist durchaus Wissenschaft. Sicherlich, wollen wir lernen, wie die Natur beschaffen ist. Aber wir wollen ebenfalls lernen, wie wir bestimmte Probleme lösen können. Schau dir mal die Liste der Chemie-Nobelpreise an, da geht es oftmals auch einfach um Verfahren, *wie* man bestimmte Stoffe synthetisieren kann, Stichwort Ammoniaksynthese (Haber, 1918), oder PCR (Mullis, 1993).
Wenn man diesen Leute ihren Beitrag zur Wissenschaft nicht absprechen möchte, dann sehe ich umgedreht keinen Grund, warum ein Mathematiker der z.B. ein neues Optimierungsverfahren für irgendeine Problemklasse entwickelt, nicht ebenfalls Wissenschaft betreibt.
Mal davon abgesehen, dass es in vielen Fällen wirklich einen fließenden Übergang zwischen beiden Aspekten gibt.

12

01.08.2014, 17:08

Sehr schöne Darstellung von Worf, über Details kann man diskutieren wie El_Marinero darlegt. Ich habe den Text direkt mal an anderer Stelle weiterverwendet (natürlich mit Zitat).

13

01.08.2014, 17:14

Ich fand meinen Beitrag weder sonderlich übersichtlich oder gut strukturiert. Aber verwende ihn ruhig, wenn er dir nutzt. :-)

Du bist Physiker, oder?

@Marinero: Letztlich gehört zu einem Modell implizit auch der Mechanismus, wie irgendwelche Modellgrößen mit realen Daten identifiziert werden können à la "Körpergewicht messe ich, indem ich Personen auf eine Wage steigen lasse". Klar kann man dies verfeinern und Luftdruck etc. mit angeben. So gesehen gehört die Methode auch mit zum Modell dazu. Aber den Schwerpunkt sehe ich doch woanders. Ich habe aber kein Problem damit, wenn mit bestimmten Preisen auch und vor allem Methodik geehrt wird. Bin ja auch eher im Gebiet der Methodik unterwegs. ^^

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »AtroX_Worf« (01.08.2014, 17:19)


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01.08.2014, 19:06

@Kastor: Ich muss mich mit der Diskussion nicht im Detail auskennen, um grobe Fehler zu sehen. Und so wie ich Wissenschaft definiert habe, sind viele geisteswissenschaftliche Untersuchungen eben prinzipiell nicht-wissenschaftlich. Sie können ja trotzdem partikular subjektiv interessant sein, keine Frage. Aber man müsste Wissenschaftlichkeit über die Methodik definieren oder zulassen, dass man nicht nach einer "Wahrheit" sucht, sondern nur nach einem Konsenz. Wem dies genügt - mir nicht! Dann kommt man zu solchen Ideen wie von Foucault und schlimmer, von Lyotard, welche in ihrer Anwendung letztlich wissenschaftsfeindlich sind.
Danke für die Nicht-Antwort. Ich weiß immer noch nicht, was für dich "Wissen", "Wissenschaft", "Wahrheit" und "reale Welt" bedeutet. Und ohne eine Verständigung darüber ist die gesamte Diskussion auch sinn- und zwecklos.

Juzam

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02.08.2014, 09:53

Sowas zum Beispiel, was an der Humboldt-Uni zum Thema GenderX und den nachfolgenden Änderungsvorschlägen zur deutschen Grammatik - das ist für mich keine Wissenschaft, das ist Humbug.
Lernen wir besser uns freuen,
so verlernen wir am besten,
anderen weh zu tun.
(Nietzsche)

16

04.08.2014, 10:09

Ich sehe Worf's Argumentation, aber mir reicht das noch nicht als Definition für "Wissenschaft". Mir fehlt irgendwo der "Nutzen" bzw. das Bedürfnis der Allgemeinheit als Feedback zusätzliche Messbarkeit für die Güte im Sinne der Entwicklung. Das muss nicht unbedingt am aktuellen System sein, sondern kann auch rückblickend oder bis zu einem gewissen Grad eine Extrapolation sein. Mir reicht es einfach noch nicht, Modelle aufzustellen, Methoden anzuwenden und diese dann einzuordnen.
Gleichzeitig darf eine bestimmte "Kreativität" und Unberechenbarkeit nicht sofort abgewürgt werden, bloss weil sie den obigen Normen oder Regeln nicht entspricht. Neues soll auch und besonders dann entdeckt werden dürfen, wenn man es nicht plant oder erwartet.

Insofern haben wir mit den Unis, welche eine gewisse Lenkung im Sinne der Bedürfnisse der Individuen vornehmen und dem wirtschaftlichen Umfeld, welche die Bedürfnisse der Gesellschaft wiedergeben eigentlich zwei recht gute Wissenschaftskriterien für die reale Welt. In einer idealen Welt sähe die Wissenschaft bestimmt anders aus.

Zitat von »'Olaf Schubert«

"Fahrrad fahren ist auch nichts anderes als veganes Reiten."

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04.08.2014, 12:11

@Master: Ich bin weniger an praktischen Aspekten interessiert als am theoretischen Wissenschaftsbegriff. Eine Gesellschaft muss sicher irgendwie auch den "Nutzen" von verschiedenen Forschungsrichtungen abwägen und Ressourcen dementsprechend verteilen. An Universitäten wird nicht hinterfragt, was wissenschaftlich ist und was nicht. Bestes Beispiel ist das von Juzam gebrachte Beispiel der Gender-"Studies". Dafür gibt es Fördergelder und es ist politisch opportun, also macht man es.

@Kastor: Ich könnte nur eine ad-hoc Definition geben.

Reale Welt: Alles, was nicht subjektiv ist, d.h. was nicht von einzelnen Personen und deren Anschauung abhängt und was prinzipiell erfahrbar ist.

Wahrheit: Hier gibt es imho 2 Unterscheidungen.
(a) Eigenschaft einer Aussage in einer Formalsprache, welche sich auf als wahr angenommene Axiome zurückführen lässt. In diesem Sinne eine Tautologie.
(b) Eigenschaft einer Hypothese über die reale Welt. Eine Hypothese ist wahr, wenn sie einen Ausschnitt der realen Welt (und deren Wirkungsweise) perfekt beschreibt. Eine Hypothese wird als wahr angenommen, wenn es hinreichend viel Evidenz dafür und hinreichend wenig Evidenz dagegen gibt. Evidenz kann nur in Rückkopplung mit der realen Welt erstellt werden.

Wissen: zu einem Zeitpunkt als wahr oder als falsch angesehene Hypothesen, inklusive der sie beinhalteten Methodik und empirischen Evidenz.

Wissenschaft: Systematischer Prozess des Aufstellens von sinnvollen Hypothesen über die reale Welt, um sich möglichst wahren Hypothesen anzunähern und die Menge des Wissens konstruktiv zu vergrößern. Wissenschaft ist als solche der Prozess des systematischen Aufstellens von Hypothesen über die reale Welt und der Sammlung von Evidenz durch Rückkopplung mit der realen Welt um diesen Hopythesen nicht-subjektiv einen Wahrheitswert zuordnen und letztlich falsche Hypothesen aussortieren zu können, um mit den wahren Hypothesen die reale Welt und deren Wirkungsweise beschreiben zu können.

Wenn man Wissen und Wissenschaft als Konzepte anwenden möchte, so muss man sich einen Mechanismus vergegenwärtigen, wie man systematisch Hypothesen einen Wahrheitswert zuordnet. Nur Hypothesen, bei denen dies prinzipiell möglich ist, sind im Sinne von Wissen und Wissenschaft zugelassen.

Man kann bei der Zulassung von Hypothesen 2 Fehler machen: Eine Hypothese ist wahr, wird aber als nicht als wahr erkannt - oder eine Hypothese ist falsch, wird aber als falsch erkannt. Vergegenwärtigt man sich den Sinn von Wissenschaft zur Sammlung von wahren Hypothesen über die reale Welt und zur Aussonderung von falschen Hypothesen, so wird augenscheinlich, dass man die Anzahl von falschen Hypothesen, die eventuell als wahr in den Stock des (gesicherten) Wissens aufgenommen werden, möglichst niedrig halten möchte. Dagegen ist es weit weniger schlimm, wenn beim Versuch dies zu erreichen auch einige wahre Hypothesen (vorerst) mit ausgesondert werden. Lieber zu restriktiv sein und dafür eine größere Sicherheit über den gesicherten Stand des aktuellen Wissens haben als zu viel als Wissenschaft zuzulassen.

Wenn man also in verschiedenen Fächern (Geisteswissenschaften) allgemein beobachtet, dass sie keinen Mechanismus haben um ihre Hypothesen übersubjektiv auf Wahrheit zu testen und/oder ihre Hypothesen überhaupt nicht so aufgestellt sind, dass dies möglich ist, so sollte (eigentlich: muss) man diesen Fächern das Prädikat "Wissenschaft" im Sinne der Definition aberkennen. Würde man sie weiterhin zulassen, würde man sowohl den Wissenschaftsbegriff als auch den des Wissens verwässern.

Ich denke eben nicht vom Ergebnis her welche Definition von Wissen und Wissenschaft ich machen muss, damit ein gewünschtes Ergebnis - hier, dass Geisteswissenschaften in ihrer Breite als Wissenschaft zu klassifizieren seien - errreicht wird. Ich denke eher vom Ende her, was sind wünschenswerte bzw. notwendige Eigenschaften, welche man an Wissen und Wissenschaft stellen sollte und entwickeln von da ausgehend die Begriffe.

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11.08.2014, 13:41

Um mal ein Beispiel zu bringen, vom feminischten Institut in Hamburg. Der Autor ist Diplom-Sozialwissenschaftler und kritisiert eine Publikation von Psychologen der Universität Koblenz. Es geht um Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Berufswahl und ob diese sich durch unterschiedliche Testosteronwerte im Mutterlaib tweilweise erklären lassen.

Zitat

Zweitens ist der Verwendungszusammenhang statistischer Methoden zu kritisieren. Die Autor_innen der Studie betreiben die Psychologie als eine Naturwissenschaft. Diese ist jedoch nicht objektiver als andere Wissenschaften, nur weil sie quantitativ arbeitet. Quantitative Forschung hat den diskreten Charme der Evidenz. Mittels Hypothesen und Zahlen sollen die Welt und individuelles Verhalten erklärt werden. Eigentümlicherweise wird dem Rechnen, wie bei der 42, und den Zahlen oftmals mehr Glauben geschenkt als qualitativer Forschung oder gesellschaftstheoretischen Überlegungen. Auch ein quantitatives Design ist, wie oben beschrieben, von bestimmten theoretischen Vorannahmen geleitet, welche die Erhebung und Auswahl der Daten, ihre Einschlüsse und Auslassungen und die Interpretationen beeinflussen. In einer Gesellschaft, die von Geschlechterkonstruktionen grundlegend geprägt ist, wirkt Geschlecht somit auch auf Erkenntnis- und Gestaltungsprozesse in den vermeintlich neutralen Naturwissenschaften.

Der Autor kritisiert, dass Psychologie als Naturwissenschaft betrieben wird. Natürlich, man kann am/mit dem Untersuchungsgegenstand experimentieren, also bietet es sich an. Dann haut der Autor ohne Begründung raus, dass [Naturwissenschaften] nicht objektiver als andere Wissenschaften [seien], nur weil sie quantitativ arbeiten.

Das ist natürlich auf mehreren Ebenen großer Quatsch. Eine quantitative Aussage ist immer genauer als eine qualitativer. Wir bedienen uns qualitativen Aussagen, wenn wir keine quantitativen treffen können (oder wollen). "Groß", "klein", "leicht", "schwer", "viele", "einige" sind alles unbestimmte Begriffe. Aus dieser Vagheit folgt, dass solche vagen Aussagen äußerst schwierig zu entscheiden sind. Man kann durch das Klassifikationsproblem nicht eindeutig Evidenz für/wider der Aussage einordnen. Dies ist hochproblematisch für eine wissenschaftliche Aussage.

Natürlich ist ein, mit seinen Worten, "quantitatives Design" von verschiedenen theoretischen Vorannahmen abhängig. Dies ist bei jedem Modell über die Welt notwendigerweise so. Aber man muss schon fast paranoid sein, wenn man bei vielen Datenquellen Erhebung und Auswahl anzweifelt. Oftmals wurden diese Daten mit einer anderen Itention erhoben und man verwendet sie nur. Es gibt eventuell systematische Verzerrungen in den Daten. Aber zu glauben diese wären bei bestimmten Themen in ihrer Größenordnung und Richtung so groß, dass sie einen Effekt umdrehen und bspw. systematisch etwas insignifikantes signifikant machen, das grenzt schon an Paranoia.

Es geht aber weiter:

Zitat

Die dritte Kritikebene betrifft die Methodik. Die Autor_innen führen eine bivariate Korrelation durch, die den Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Variablen abbildet. Sie errechnen, getrennt nach Geschlecht, mathematische Zusammenhänge zwischen dem Fingerlängenverhältnis bzw. der absoluten Fingerlänge und den Berufsinteressen in Form der realistischen und der sozialen Ausprägung. Der Wertebereich einer Korrelation reicht von -1 (negativer Zusammenhang) über 0 (kein Zusammenhang) bis zu +1 (positiver Zusammenhang). Bei naturwissenschaftlichen Fragestellungen gilt 0,8 als ausreichender Wert für einen starken Zusammenhang, bei sozialwissenschaftlichen Fragestellungen kann 0,5 schon als recht guter Wert angesehen werden. Die Ergebnisse der Konstanzer Studie jedoch belegen nur einen sehr geringen Zusammenhang, da die Werte der Korrelation sich immer unter 0,1 bewegen. Allerdings, so die Autor_innen, gibt es signifikante Unterschiede innerhalb der Gruppe der Männer. Hier konnte bestätigt werden, dass eine realistische Orientierung statistisch signifikant negativ mit dem Fingerlängenverhältnis verbunden ist, was bedeutet, dass ein höheres Interesse an Dingen besteht. Unter Frauen konnten hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede gefunden werden.

Mutmaßlich geht die Studie den Umweg über Fingerlängen, da diese wohl gut dokumentiert mit dem Testosteronlevel im Mutterleib zusammenhängt.
Der Autor sollte genauer schreiben, dass eine Korrelation einen linearen Zusammenhang misst. Eine Korrelation von 0 bedeutet natürlich nicht, dass kein Zusammenhang besteht sondern nur, dass kein linearer Zusammenhang besteht. Es ist natürlich grober Unfug die Stärke von Effekten mit absoluten Korrelationsgrößen motivieren zu wollen. Korrelationen kann man immer nur in einem Modell über dem gleichen Wahrscheinlichkeitsraum vergleichen. Für so etwas gibt es statistische Signifikanz.

Den Abschnitt zur linearen Regression überspringe ich mal, da steht grundsätzlich nicht viel anderes drin wie bei der Korrelationsschätzung.

Zitat

Seltsamerweise halten die Autor_innen an ihrer These eines Zusammenhanges zwischen dem pränatalen Testosteronspiegel und beruflichen Interessen fest, obwohl sie dafür keine oder nur sehr schwache statistische Belege finden. Am Ende ihres Artikels merken die Verfasser_innen selbstkritisch an, dass die Schwäche der Studie in dem korrelativen Forschungsdesign besteht. Denn aus dieser kann keine Kausalität, kein ursächlicher Zusammenhang, abgeleitet werden. Dies hindert die Autor_innen jedoch nicht daran, weiterhin davon auszugehen, dass der pränatale Testosteronspiegel die Berufsinteressen beeinflusst und zu geschlechtsspezifischen Interessensprofilen führt. Allerdings sind diese Effekte ihrer Meinung nach so gering, dass andere Einflussgrößen eine Rolle spielen, wie bspw. andere Hormone, Fähigkeitsunterschiede, Persönlichkeitsmerkmale oder soziale Einflüsse. Meiner Meinung nach wäre es bei den dargestellten Ergebnissen angebracht, von keinem Zusammenhang zwischen pränatalem Testosteronspiegel und Berufsinteressen auszugehen. Denn auch die signifikanten Unterschiede helfen den Autor_innen hier nicht weiter. Aus der Signifikanz ergibt sich ebenso wenig ein kausaler Zusammenhang wie durch eine Korrelation. Ein schönes Beispiel, das zeigt, dass statistische Ergebnisse auch immer theoretisch rückgebunden und vorsichtig interpretiert werden müssen, ist dasjenige der Störche und der Kinder. In einer Beispielrechnung gibt es eine hoch-signifikante statistische Korrelation zwischen der Zahl der Storchenpaare und der Geburtenrate. Dennoch ist das Ergebnis offenkundiger Unsinn.


Es zeugt von guter wissenschaftlicher Praxis, das eigene Testdesign selbstkritisch zu hinterfragen und mögliche Schwächen offenzulegen. Das aus Korrelation keine (allgemeine) Kausalität folgt, ist eine triviale Plattitüde. Und wenn man signifikante Unterschiede findet, dann kan man dies durchaus dem Fachpublikum mitteilen.
Der Autor erklärt generell, dass signifikante Unterschiede prinzipiell egal sind, weil man nie einen kausalen Zusammenhang durch Korrelation (oder allgemeiner, statistische Methoden) belegen kann. Man kann natürlich nie etwas komplett verifizieren, sondern immer nur Evidenz dafür/dagegen sammeln und Kausalität ist schwierig zu ermitteln, wenngleich es dafür ein spezielles, abgeschwächtes statistisches Konzept gibt, dass der Granger-Kausalität.
Aber mit dieser Einstellung ist sind jegleiche Daten, jegliche Evidenz egal. Wie will der Autor dann wahre von falschen Hypothesen aussondern, wie sie korrigieren lassen? Man muss annehmen, dass er dies gar nicht möchte sondern überzeugt ist, recht zu haben. Bei ihm vermengen sich auch wissenschaftliche Fragestellungen und normativ-politische Fragestellungen. Aus einer gewissen politischen Ideologie fomuliert er Hypothsen über die reale Welt, lässt aber Falsifikation durch empirische Daten nicht zu. Im Gegenteil, der Autor erklärt, dass statistische Methoden prinzipiell ungeeignet dafür sind.
Das kann ich nicht mehr ernsthaft Wissenschaft nennen.

Das Beispiel am Ende ist natürlich lustig, weil es ein typisches Beispiel eines Drittvariablenproblems ist, ein vernachlässigter Faktor beeinflusst beide beobachteten Größen, hier die lokale Geburtemrate und die lokale Anzahl der Störche. Man könnte statistisch auch aufdecken, dass weder Störche die Geburtetenrate noch umgedreht die menschliche Geburtenrate (kurz- bis mittelfristig) Störche beeinflussen.

Besonders amüsant ist auch sein Fazit:

Zitat

Welche Schlüsse lassen sich aus dem Gesagten ziehen? Erstens, dass sich Forschung die richtigen Fragen stellen sollte. Das bedeutet, dass sie zum einen nicht ohne einen gesellschaftstheoretischen Bezug auskommt und diesen auch benennen sollte und zum anderen, dass sie ihre Voraussetzungen kritisch reflektieren sollte. Zweitens, dass Forschung nicht unreflektiert nach Geschlechterunterschieden suchen sollte. Denn wer Unterschiede sucht, wird Unterschiede finden.

Wer Unterschiede sucht, wird (signifikante) Unterschiede finden. Aber wenn dem so ist, haben wir ja etwas gelernt! Aber es kann wohl nicht sein, was nicht sein darf. Also sollten wir gar nicht erst suchen. ist ja aufgrund theoretischer a prioi Überlegungen eh schon klar, dass keine Unterschiede existieren.

€dit: wtf, Nachricht zu lang (>10.000 Zeichen). Ich hab sie gesplittet.
Attila, kennst du diess Problem auch? ;-)

19

11.08.2014, 13:41

Wäre es nicht so ein so ernstes Thema und traurig, was hier im namen von Wissenschaft gemacht wird - man könnte die Bemühungen des Autors geradezu komisch finden. Er macht es sich in seiner Ideologie bequem und leugnet alle Methoden, welche seine Theorie falsifieren könnten. Überhaupt leugnet er, dass irgendwie Evidenz gegen seine Thesen gesammelt werden könnte bzw. dass dies irgendeine Bedeutung hätte. So etwas kann keine Wissenschaft sein, es ist das Gegenteil, es ist Religion.

In gewissen Bereichen der Geistes/Sozialwissenschaften findet man solche pseudo-wissenschaftliche Praxis zuhauf. Man immunisiert sich gegen Widerspruch und solcher wird als rückständige Kritik aufgefasst und mit politischen Motiven begründet. Sogenannte "Gender-Forschung" wird massiv vom Bund gefördert, es werden Lerhstühle und Institute an deutschen Universitäten geschaffen. Da verbrennt man nicht nur Steuergeld, sondern es wird auch aktiv Anti-Wissenschaft im Gewand der Wissenschaft betrieben. Davon geht, meines Erachtens, die größte Gefahr aus: Wenn in der normalen Bevölkerung der Unterschied zwischen richtiger und Pseudo-Wissenschaft verloren geht und Wahrheit ein politisches Konzept wird, über welches man abstimmen kann.

20

11.08.2014, 14:49

jo, da kann man dir nur zustimmen. nicht alle sozialwissenschaftler machen solche forschung, leider gibts es dies dennoch immer mehr. weil nicht sein kann was nicht sein darf. dennoch stimme ich dir dahingehend nicht zu, dass auch theorien, sofern als solche erkenntlich, einen wissenschaftlichen mehrwert bieten und somit wissenschaft sind.

btw geht dein link nicht wollte mir das institut mal ansehen
Zitat von »Lesmue« Wenn ich 2 Abende in der Woche mal Ruhe vor Frau,Freundin,Kindern usw hab will ich einfach ganz entspannt am Rechner was daddeln und mir dabei 3 Weizen in den Kopf jagen, und mit Kumpels dummes Zeug in Skype labern.

21

11.08.2014, 15:15

Ich habe ein gewisses Verständnis für Kritik. Das Problem der Wissenschaft sind die Modelle - sie haben meistens so lange Gültigkeit, bis man bewiesen hat, dass das Modell falsch ist oder man ein besseres gefunden hat. Das heisst halt leider noch lange nicht, dass das Modell gut ist. Eine qualitative Aussage kann da dann sehr wohl besser sein als das Modell, ohne jegliche Untermauerung von konkreten Zahlen und Daten. Die qualitative Aussagen basiert ja auch auf "Fakten" bzw. Daten, aber halt nicht unbedingt streng nach einer Methode gesammelt, sondern evtl. auch durch "Erfahrung" angeeignet.
Wenn man diese Lehre nicht Wissenschaft nnennt, was dann?

Als Beispiel würde ich die Meteorologie nennen - da gab es jahrelang Personen, die das Wetter besser als andere vorhersehen konnten, einfach weil sie sich damit beschäftigt haben. Durch die Beobachtung des Wetters, durch Erfahrung und gewissen Schlussfolgerungen. Man hat qualitative Thesen aufgestellt. Ab wann würdest du sagen, wurde aus der "Wetterprognose" denn eine Wissenschaft? Es gab ja sicher nie den Zeitpunkt x, an dem eine Person sich entschied "jetzt qualitative Äusserungen zu machen um wissenschaftlich zu arbeiten".

Und das hier:
"Eine quantitative Aussage ist immer genauer als eine qualitativer" ist natürlich kompletter Blödsinn. Versuch es doch beim nächsten Mal wenn du starke Schmerzen hast.

Zitat von »'Olaf Schubert«

"Fahrrad fahren ist auch nichts anderes als veganes Reiten."

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22

11.08.2014, 15:46

Ich habe ein gewisses Verständnis für Kritik. Das Problem der Wissenschaft sind die Modelle - sie haben meistens so lange Gültigkeit, bis man bewiesen hat, dass das Modell falsch ist oder man ein besseres gefunden hat. Das heisst halt leider noch lange nicht, dass das Modell gut ist. Eine qualitative Aussage kann da dann sehr wohl besser sein als das Modell, ohne jegliche Untermauerung von konkreten Zahlen und Daten. Die qualitative Aussagen basiert ja auch auf "Fakten" bzw. Daten, aber halt nicht unbedingt streng nach einer Methode gesammelt, sondern evtl. auch durch "Erfahrung" angeeignet.
Wenn man diese Lehre nicht Wissenschaft nnennt, was dann?

Als Beispiel würde ich die Meteorologie nennen - da gab es jahrelang Personen, die das Wetter besser als andere vorhersehen konnten, einfach weil sie sich damit beschäftigt haben. Durch die Beobachtung des Wetters, durch Erfahrung und gewissen Schlussfolgerungen. Man hat qualitative Thesen aufgestellt. Ab wann würdest du sagen, wurde aus der "Wetterprognose" denn eine Wissenschaft? Es gab ja sicher nie den Zeitpunkt x, an dem eine Person sich entschied "jetzt qualitative Äusserungen zu machen um wissenschaftlich zu arbeiten".
Ist das dann nicht fast quantitative Forschung? Wir haben 100 mal Schäfchenwolken beobachtet, in 90 Fällen gab es daraufhin Regen. Das was du als "Erfahrung" beschreibt ist doch so eine Art quantitative Forschung. Und wenn man dann weiß was 90 von 100 mal bedeutet, dann kann man eben noch exaktere Aussagen in der Zukunft treffen, als wenn du gefühlsmäßig sagst, dass häufig auf Schäfchenwolken Unwetter folgt.
Also gib mal ein besseres Beispiel, wo qualitative Aussagen besser sein sollen als quantitative, I didn't catch it.
Manchmal ist es evtl. sehr schwierig viele Daten herzubekommen, dann muss man eben Interviews und so weiter führen.
Dass mit quantitativer Forschung viel Unsinn gemacht wird ist auch klar. Ein passendes Comic dazu:

live is live, nana nanana :D

Zitat

Original von -=)GWC(RaMsEs
von 50k könnte ich in münchen nicht mehr leben.

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »_Icedragon_« (11.08.2014, 15:53)


23

11.08.2014, 17:38

"Eine quantitative Aussage ist immer genauer als eine qualitativer" ist natürlich kompletter Blödsinn. Versuch es doch beim nächsten Mal wenn du starke Schmerzen hast.

Auch dann bleibt meine Aussage richtig. Am Anfang kann man meistens nur Effekt vorhanden ja/nein testen. Später kann man dann auch noch eine eventuelle Effektstärke messen. Es zieht sich doch durch die Geschichte der Wissenschaft, dass einstmals nur qualitative Angaben irgendwann quantifizierbar wurden.

@Meteorologie: Sehe ich wie Icedragon. Eine Wissenschaft ist die Wetterprognose schon, wenn man die Aussagen testen kann. Wenn die Urvölker die Hypothesen (A) "es regnet, nachdem viele dunkle Wolken am Himmel stehen" und (B) "es regnet, wenn man einen Regentanz aufführt" haben und dann nach mehrmaligen ausprobieren systematisch Hypothese B verwerfen und Hypothese A nicht.

Danach kommt meistens die Frage, wie doll es denn regnet oder wie lange es nicht regnet. Dies sind quantitative Erweiterungen der einstmals rein qualitativen Frage nach Regen.
Ich würde auch genr ein Biespiel wissen, wo qualitative Aussagen (in einem wissenschaftlichen Sinn) besser sind als qualitative. Bei rein binären Ereignissen sind beide Varianten gleich, mehr fällt mir gerade nicht ein.

24

12.08.2014, 07:57

Das macht quantitative Aussagen doch noch nicht per se besser? Überall dort wo man "technisch" noch nicht weit genug ist um irgendwas zu "messen", sind qualitative Aussagen genauer. Beziehungsweise solange die Messmethode zu schlecht, fehlerhaft oder ungenau ist (oder man was falsches misst). Klar kannst du dann der Methode die Schuld geben und sagen "ja aber hätte man doch das richtige gemessen, dann...". In der Zwischenzeit sind qualitative Aussagen besser.

Und wegen der Wetterprognose: Es ist ja wohl sicher nicht so, dass gezählt wurde "ah, jetzt kam bei Wetterlage x in 78 von 99 Fällen Regen, dann wird das dieses Mal vermutlich auch so sein". Das war ein menschliches Abschätzen der Erfahrungswerte (die natürlich auf einer Menge an Ereignissen basieren), aber sowas zähle ich definitiv NICHT als quantitativ. Auch solche qualitative Aussagen basieren auf Erfahrungen, Ereignisse etc.

Was ist denn für euch "qualitativ"?

Zitat von »'Olaf Schubert«

"Fahrrad fahren ist auch nichts anderes als veganes Reiten."

25

12.08.2014, 09:47

Ich sehe nicht, wieso qualitativ "besser" sein sollte. Wenn man nur sehr ungenau messen kann, dann doch über mehrere mögliche Messwerte. Dann kann man Klassen einführen. Qualitativ ist für mich eher etwas, was nur eine binäre Ausprägung hat bzw. wo ich nur Existenz feststellen kann. Oder spezielle Anwendungen mit Fuzzy, was letztlich auch nur eine Form der Klassifizierung ist.

Qualitativ wäre: Etwas ist rot oder etwas ist groß. Quantitativ wäre, wenn man beim Rotton bspw. die Wellenlänge misst und bei der Größe die Größe in einer Längeneinheit. Dann kann man ja Informationen immer noch zu (disjunkten) Klassen verdichten, wie klein, mittel, groß. Aber dann gilt trotzdem klein < mittel < groß. Das ist schon mal besser als bei rein qualitativen Angaben, welche immer nur nominal sind. Sobald man noch eine Orndungsrelation hat, d.h. ordinale Daten, kann man ja schon wieder quantifizieren. Wenn ich etwas nur rein qualitativ bestimme und es meinetwegen auch mehr als 2 Ausprägungen gibt (ich weiß nicht, ob dies logisch konsistent möglich ist), könnte man zwar dann auch klein, mittel, groß feststellen. Man wüsste allerdings nicht mehr sicher klein < mittel < groß gilt.

Oder wie verstehst du qualitative Aussagen?

Ich hatte dazu mal was von Rudolf Carnap gelesen und könnte es, bei Bedarf, wieder raussuchen. War schätzungsweise Logical Foundations of Probability.

26

12.08.2014, 10:13

schlechtes bsp deinerseits, da auch rot ja schon quantitativ ist, da es sich auf einen bestimmten wellenlängenbereich bezieht, sonst wäre es nicht rot ;-)
Zitat von »Lesmue« Wenn ich 2 Abende in der Woche mal Ruhe vor Frau,Freundin,Kindern usw hab will ich einfach ganz entspannt am Rechner was daddeln und mir dabei 3 Weizen in den Kopf jagen, und mit Kumpels dummes Zeug in Skype labern.

27

12.08.2014, 13:26

Farben können subjektiv vom Menschen wahrgenommen werden. Und es geht mir ja exakt darum, dass man qualitative Konzepte quantifizierbar machen kann. Vor diesem Hintergrund fand ich das Beispiel ziemlich gelungen. ;)

28

12.08.2014, 15:09

Okay, wir haben unterschiedliche Ansichten von "qualitativ".
Für mich sind "gut, mittel, schlecht, stark, schön" usw. alles qualitative Aussagen. Für eine quantitative Aussage brauche ich zwingend eine Zahl oder eine Menge.

Alle möglichen Arten von Kunden- und Meinungsumfragen basieren oft auf qualitativen Aussagen. Waren Sie zufrieden mit dem Service?
"trifft voll zu / trifft mehrheitlich zu / trifft teilweise zu / trifft eher nicht zu / trifft gar nicht zu"
Natürlich kannst du danach alles quantifizieren und diesen Werten Zahlen von 1-5 geben, aber damit normierst du einfach dein Resultat. Die Aussagen sind weiterhin rein qualitativer Natur. Das Problem daran ist doch die fehlende Normierung - man kann zwei Personen Fragen und beide werden vollkommen überzeugt ihre Meinung äussern. Beide haben genau dasselbe erlebt und trotzdem bewerten sie das Resultat anders.

Fuzzy Control ist für mich eine Methode mittels qualitativer Aussagen zu einem quantitativen Resultat zu kommen.

Zitat von »'Olaf Schubert«

"Fahrrad fahren ist auch nichts anderes als veganes Reiten."

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »kOa_Master« (12.08.2014, 15:17)


29

12.08.2014, 19:29

Die Selbstauskünfte von verschiedenen Untersuchungsobjekten sidn nicht ohne weiteres vergleichbar. Aber dies ist ein sehr spezielles Problem, weil man überall sonst die Natur doch mittels eines Messgeräts (im weitesten Sinne) misst.
Man transformiert von einem beliebigen, abstrakten Messraum in einen schöneren, in welchem man dann arbeiten will. Den ordinalen Antworten kann ich zwar Zahlen zuordnen, nur muss ich aufpassen nicht die Struktur von {1,2,3,4,5} als zyklische Halbgruppe oder sowas auszunutzen, weil neben = bzw. != und < bzw. > keine zusätzlichen Operationen definiert sind, speziell keine Addition oder Multiplikation.

Aber hier gebe ich mit meinem Fragedesign die Abstufungen vor. Grundsätzlich könnte man auch 100 oder 1000 Klassen wählen und sich Gedanken machen, wie generell Zufriedenheiten zu vergleichen sind. Dies hängt vom Kontext ab. Bspw. sind 2 mal mittlere Zufriedenheit genauso gut wie einmal hohe Zufriedenheit. Durch solche Erweiterungsüberlegungen kann man ein ursprünglich qualitatives Modell in ein quantitatives überführen.

Mich interessiert die Selbstauskunft von Menschen zu verschiedenen Sachverhalten nur insofern, als ich diese als Variable zur Vorhersage des eigentlich interessierenden Markmals benutzen kann. Dann sollte das eigentlich interessierende Objekt natürlich nicht sein "Wie haben die Menschen auf die Eingangsfrage geantwortet" sondern sowas wie "Wie zufrieden waren sie mit dem Service", d.h. wir wollen die zugrundeliegende latente Variable der wirklichen Zufriedenheit messen. Hier muss man imho geistig trennen und sollte nicht dem Fehler verfallen auch nur 5 mögliche Zustände anzunehmen, weil man nur nach ebensovielen gefragt hat. Die latente Variable der Service-Zufriedenheit kann besser quanitativ als qulitativ modelliert werden, eine Hilfsvariable zru Datengewinnung muss aus praktischen Erwägungen dann ordinal sein. Aber schon in der Frage ist für mich eine quantitative Antwort implizit angelegt. Würde man "Waren sie zufrieden mit dem Service" fragen, dann ist die Antwort nach meiner Definition qualitativ. Aber jegliche Abstufungen nach "wie Zufrieden waren sie mit dem Service" sind dann quantitativ (oder können es sein, je nachdem, wie weit man den Begriff fasst, so dass nicht fast alles trivial quantitativ ist).

Wenn ich die Servicezufriedenheit anhand von Faktoren untersuchen möchte, sollte ich nciht zu wenige Abstufungen zulassen. Bei nur 3 Abstufungen erhalte ich anonsten eventuell nie signifikante Faktoren, weil der Sprung von einer Stufe zu einer anderen, um eine Veränderung durch den Faktor zu sehen, viel zu groß wäre. Bei 10 Stufen erhalte ich wohl eher einige signifikante Faktoren. Diese Überlegungen fließen imho in die Wahl der Struktur ein, mit welcher man Servicezufriedenheit misst. Letztlich sind es diese abstrakten Gründe sich nicht künstlich selbst zu beschränken, welche imho für eine "Quantisierung" von Modellen sorgen.

Wenn man kein wissenschaftliches, sondern ein ökonomisches Interesse an der Servicezufriedenheit hat, dann sind statistische Verfahren bei gegebener (oder wenig) Beobachtungen oftmals robuster für eine kleinere Anzahl an Klassenunterteilungen. Zudem unterscheidet man dann oftmals nicht mehr so stark zwischen der latenten Variable von Interesse und der ursprünglichen Frage, bowohl man dies weiterhin tun sollte.

Das ganze wirft allerdings ein interessantes Problem auf: Ist es sinnvoll eine wissenschaftliche Theorie auf latenten Variablen aufzubauen bzw. Aussagen über latente Variablen zu treffen? Immerhin kann ich diese nicht mehr beobachten. Aus diesem Grund gehört für mich zu einer Theorie, welche latente Variablen enthält, zwingend ein Mechnismus der diese latenten Variablen in messbare Variablen "umwandelt". Letztlich ist das Modell so doch wieder (ganz positivistisch) ein Modell, welches Aussagen über beobachtbare/messbare Zustände macht. Latente Variablen dienen nur der internen Modellierung, sie sind also auch nur ein Perspektivwechsel, um wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden und das Modell so handhabbar zu machen.

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