also um mal aufzuräumen mit den "Gerüchten" hier:
ich bin Pfarrerstochter, das seit 28 Jahren und jetzt hat mein Vater endlich seinen lang verdienten Ruhestand.
Ein Pfarrer arbeitet nur Sonntags
ja klaaaaar
roflmao...
Ein Pfarrer arbeitet meistens 7 Tage die Woche.
Normal hat er zwei Tage Werktags frei. Aber die kriegt er nie, allenfalls einen und das NUR, wenn es die Gemeinde zulässt.
Er ist wirklich 24 im Dienst, denn mit "ich mach im Büro das Licht aus" ists nicht getan.
Ich weiß nicht ob ich mich eher an die Nächte erinnere, in denen das Telefon nicht geklingelt hat, oder als es klingelte.
Das ist kein Spaß, so läuft das wirklich.
Pfarrer haben Studiert, im Falle meines Vaters SozPäd UND Theologie. Die tausend Weiterbildungen nachher nicht mitgerechnet.
Wieviele Leute mein Vater beim Sterben begleitet hat?
Zahllos.
Wievielen Angehörigen er grundsätzlich Wochenlang bei der TRauerarbeit begleitet hat?
Zahllos.
In wieviele Menschliche Tragödien er bewusst oder unbewusst hineingezogen wurde?
ich mag da nicht mal dran denken.
Joah gut, nen Psychologe macht den Job ja auch. Joah, aber die machen den Job normalerweise besser bezahlt von 9 bis 17 Uhr, nicht 24/7.
Und mein Vater wurde nie gefragt, ob er nachts um 4 Uhr bitte an die A93 kommen
möchte, wo Mutter und Vater im PKW von nem Kleintransporter abgeschossen wurden und die Kinder hinten überlebt haben. Er
muss, so wie THW und Feuerwehr/Polizei auch.
die haben aber Schichtdienst und somit auch einen regulären Feierabend, Ferien, etc.
Hat mein Vater Urlaub? joah, je nachdem, wann er gehen darf, denn die Gemeinde muss weiter betreut werden, und Gottesdienste dürfen nicht ausfallen, nur weil Herr Pfarrer mal in den Urlaub will.
Was macht man also? Genau, Urlaubsvertretung.
Also mein Vater packt Frau, Kinder und Hund ein, fährt "in den Urlaub" in ne andre Gemeinde und übernimmt dort die kleinen Pflichten, wie Gottesdienste, Beerdigungen, etc.
Aber is ja Urlaub, weil net zuhause.
Wenn er dann erholt aus seinem Urlaub zurück kommt und eigentlich noch3 Tage Urlaub hätte, klingelts aber am nächsten Morgen trotzdem sofort wieder an der Tür oder dem Tel und er wird aufgefordert dies und das zu tun, hier und dort zu erscheinen.
"Dauert doch nur ganz kurz Herr Pfarrer, und meine Mutter würde sich ja soooo freuen!"
Nur mal so am Rande: ein Pfarrer kann sich in den seltensten Fällen erlauben mal nein zu sagen.
Ich habe bis 18 zuhause gelebt, bis ich 20 war, war ich jedes WE noch zuhause. Schön war, dass mein Vater mit uns gemeinsam gefrühstückt hat. Das war oft das einzige Mal am Tag, dass ich ihn gesehen habe. Denn er kam nachts erst aus dem Büro nach hause, als ich schon in der Heia war.
Sonntags 3 Gottesdienste und mehr, in 3 verschiedenen Kirchen? Mit jeweils ner halben Stunde zwischendrin, um hin zu hetzen, alle zu Begrüßen, hinterher für jeden ein persönliches Wort zu haben, etc? Is ja nur Sonntags...
Von wegen!
Meine Mutter, unbezahlte Pfarrfrau (von Pfarrfrauen wird verlangt mitzuarbeiten, unentgeltlich) hat jetzt die erste ruhige und besinnliche Adventszeit vor sich, seit 30 Jahren. Ansonsten machte sie jeden Abend mit meinem Vater einen Plan, wie sie die Gemeindearbeit am geschicktesten aufteilen, ohne dass mein Vater einen Herzkaschper kriegt und meine Mutter trotzdem ein Minimum Schlaf bekommt.
Ihr müsst verstehen, dass Gemeinde und Gemeindearbeit etwas ist, wozu wohl 99% von euch überhaupt keine AHnung und keinen Zugang haben.
Kirchenchor, Gemeindechor, Seniorentreff, Seelsorge, Geburtstagsbesuche (jeden Tag mehrere), Gottesdienste in Kirche, Kapelle, Seniorenheim, Krankenhaus, Klinikum, Kindergarten, Konzerte die gemanaged werden müssen, einfach ALLES was irgendwie über Kirche läuft.
Mein Vater hasst es zu telefonieren. Ihn hab ich nur am Hörer, wenn er dringend irgend ein Dokument von mir braucht oder ne Info für Steuer oder Krankenkasse oder so. Mein Vater hat Jahre lang den halben Tag telefoniert, die andre Hälfte am Leute besuchen, Kurse leiten, und und und und...
Nein, ich hab ihn nicht oft gesehen, nein ich hatte keinen liebevollen Vater, der sich Zeit für mich genommen hat als ich ein Teenie war.
Mein Vater war zu 95% gestresst, überarbeitet und musste trotzdem immer lächeln und für andere ein Stein in der Brandung sein.
Was für viele von euch neu sein dürfte:
Die Generation unserer Eltern und Großeltern WOLLEN einen Pfarrer, WOLLEN einen Seelsorger, rufen bei Fragen in Eheproblemen, etc erstmal den Pfarrer an und lassen ihn das fixen. Sie WOLLEN einen Geburtstagsbesuch haben, auch wenn die Papiere auf dem Schreibtisch sich zu Türmen stapeln und alle möglichen Stellen ständig nachfragen, ob dies und das schon geregelt ist, schon angewiesen wurde oder oder oder.
Ganz ehrlich, ein Pfarrer ist ein Manager. Einer der für den Beruf lebt, weil es eine Berufung ist. Nur Manager von Firmen, Banken, etc verdienen sich damit dumm und dusselig.
Jeder Selbstständige, der versucht sein Geschäft am Laufen zu halten weiß was ich meine. Man arbeitet selbst und ständig.
Als Pfarrer auch. Auch wenn man krank ist. Apropos, krank bist du nur, wenn du mit Krebs im Krankenhaus liegst oder tot bist.
Ansonsten sind Krankheitstage mit Fieber, Grippe, etc, Tage, an denen du aus verständlichen Gründen mal keine Gemeindearbeit machst, aber dafür das Büro auf fordermann bringst...
Ach ja, die Gemeindearbeit wird dann natürlich von einem anderen Pfarrer übernommen, das tut er zu seiner normalen Arbeit noch dazu.
Ich weiß, viele von euch halten das Pfarrerdasein als nen Beruf, der abgeschafft gehört.
Lest euch einfach durch was ich da aus eigener Erfahrung erzähle und kommt mir jetzt
bitte nicht mit: "ja aber, ....." "ich hab das aber so gehört..."
Bei Pfarrern und Pfarrfamilien kommt
immer die Gemeinde zuerst, dann die Familie. Bei welchem Beamten ist das noch so?
Ich hab es gehasst, dass mein Vater keinen "normalen" Beruf hatte...
unter anderem, weil cih ständig deswegen geärgert wurde als Kind. Und mein Vater nie auf Wettbewerben dabei war, Schulaufführungen versäumte, etc.
Der einzige Zeitpunkt, an dem ich meinen Vater immer sehen konnte, war Sonntags im Gottesdienst. Aber da hatte ich ihn nicht für mich.
und noch was: mein Vater ist evangelischer Pfarrer. Mit der katolischen Kirche und wie die ihre Priester managen hat er nix zu tun.