1. wann bist du denn das letzte mal als bittsteller bei einem staatsrepräsentanten aufgetaucht und warum? arbeitest du nicht bei einer staatlichen institution?
Es geht nicht um mich persönlich. Und was hat es damit zu tun bei einer staatlichen Institution zu arbeiten und gegen Bürokratie zu sein?
Aber ganz konkret, ich will/werde einen großen US-Rückversicherer einmalig beraten. Was da schon an Irsinn vom Finanzamt auf einen zu kommt... Und wenn man sich detailliert mit dem deutschen Steuersystem befasst merkt man, wie komisch viele Regelungen sind. Es ist schon verdammt schwierig als Privatperson alles selbst überblicken zu können. Vor allem weil einiges anderes funktioniert, als es im Gesetz steht.
Aber mein Bruder gründet Start-Ups und hat größere Probleme. Wenn man bspw. nur eine Ladentheke bauen möchte benötigt es eine Genehmigung vom Bauamt. Dafür bräuchte man den unterschriebenen Mietvertrag der geschäftlichen Räumen und eine Zeichnung von Architekten. Dann dauert es ca. 4 Monate, kann aber auch länger werden. Bis dahin darf man Miete zahlen, aber nicht eröffnen. Und schon kleinste bauliche Veränderungen sind genehmigungspflichtig!
Klar, als Angestellter (vor allem im ÖD) bekommt man davor recht wenig mit. Das ist aber normales geschäftliches Handeln von Unternehmern, welche ab einem gewissen Punkt auch Arbeitskräfte einstellen. Und in einigen Sparten ist mein Bruder aktiv und so bekomme ich immer, sozusagen in erster Reihe, die Irrsinnigkeiten und Detailregelungen mit. Wenn ich dann frage ob Konkurrenten (vor allem kleine Unternehmen und gewerblich tätige Einzelpersonen) dies auch alles beachten meint er nein. Viele verstoßen wohl aus Unwissen gegen sehr viele Regelungen.
Quintessenz: Es ist in Deutschland sehr schwer und teuer ein Geschäft aufzumachen. Gerade für nicht so gebildete Bevölkerungsteile wird hier viel Potential verschenkt (oder die machen einfach irgendwie, wenngleich es eigentlich illegal ist).
Ich könnte auch noch von der Unfähigkeit von Beamten in Behörden erzählen, die katastrophale Fehler machen. Da scheint die Software nicht zu funktionieren
und jegliche Plausibilitätsprüfung wurde mutmaßlich unterlassen. Ist kein großes Ding sowas wieder zu beheben, aber es ist Aufwand. Vor allem, wenn kurz danach etwas ähnliches wieder passiert.
Dazu bspw. auch dieser Text:
Bürokratie statt Freiheit – Flieger, grüß mir die Sonne
2. der deutsche staat, also sämtliche deutsche staaten seit 1871, haben in vielerlie fällen bewusst versucht das verhalten ihrer bürger in bestimmten, als relevant betrachteten, fragen zu beeinflussen. dies ist meist in einem sinne erfolgt, der dazu beitragen sollte das zusammenleben zu verbessern. was ist generell daran auszusetzen?
Das muss man ja nicht gut finden. Ich sehe den Staat, wie ausgeführt, nicht als eine Entität, dessen Fortbestand und Wohlergehen über dem seiner Bürger steht und der sich seine Bürger so erzieht, wie er sie benötigt. Im Gegenteil, wir unterhalten als Bürger mit unseren Steuern Institutionen, welche für Infrastruktur, Rechtsprechung und Durchsetzung etc. sorgen. "Das Zusammenleben verbessern" klingt erst einmal wertneutral. Aber in der konkreten Umsetzung muss ja in irgend einer Weise Zwang ausgeübt werden um bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen bzw. um andere zu ermuntern. Hier liegt die große Gefahr, könnte eine Regierung, welche prinzipiell an Machterhalt interessiert ist, doch versuchen Verhaltensweisen so zu verändern, dass ihr Machterhalt wahrscheinlicher wird. Nimmt man regierenden Politikern den Nimbus für eine "gute" oder "gerechte" Sache zu kämpfen anstatt hauptsächlich für eigenen Machterhalt (was ich nicht verwerflich finde, ist so in den Rahmenbedingungen des "Berufs" Politiker angelegt), so gerät die Legitimität solcher Maßnahmen in Frage.
generell in deutschland hat man auch die historische erfahrung gemacht, dass eine gewisse fürsorge für die eigenen bürger politische stabilität generieren kann, bzw. dass unzufriedene bürger politische instabilität hervorrufen können. (bismarck, weimar, brd-gründungsphase) diese lehren gehören zur politischen identität in deutschland.
Ökonomische Prosperität generiert politische Stabilität, gewürzt mit einem Mindestmaß an Freiheit. Den Unterschied sieht man gut zwischen den beiden deutschen Staaten zwischen 1949-1989. Die DDR hatte sehr viel staatliche Fürsorge für ihre Bürger, deutlich mehr als die BRD. Fürsorge könnte ja auch als Ermöglichung der Eigeninitiative verstanden werden, wird aber de facto als paternalistischer und alimentierender Sozialstaat gebraucht.
der völlig "freie" bürger - der nur am rande angemerkt - auch in den usa einen beträchtlichen teil seiner bürgerlichen rechte zugunsten einer rationaleren organisation der gesamtheit aufgeben musste, war eigentlich nie das ziel eines deutschen staates. lediglich ein staat, der dem bürger ein gewisses maß an freiheitsrechten zuerkennt.
Sicher muss er dies auch in den USA. Aber es gibt nicht "das" Ziel eines deutschen Staates, sondern nur aktuell regierende Politiker und dern Opposition. Und ich trete dafür ein, wie auch in Teilen die Grünen oder die Piraten, dem Bürger mehr Freiheitsrechte "zuzuerkennen". Wobei dies schon wieder von einem speziellen Staatsverständnis spricht, dass der Obrigkeitsstaat seinen Untertanen etwas zuerkennt.
btw. Grüne, die CDU hat in BaWü im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass die Vorratsdatenspeicherung im Bundesrat unterstützt wird. Danach sagte Strobl: "Mit der FDP hätten wir das nicht machen können." Die Grünen spielen sich in Talkshows oder den Abendnachrichten gern als Bewahrer von Datenschutz auf, aber im Zweifelsfall ist das Thema dann wohl doch in der Hierarchie relativ weiter hinten als es bei der FDP steht.