Nur schon wegen einer solche Ankündigung sollte man sich dem Hedonismus des Berghain völlig hingeben. Achso: Wer Angst hat Männer knutschen zu sehen , oder, wie sie sich im hinteren Teil in den Po ficken, sollte lieber zuhause bleiben.
Wenn sich Wochenende für Wochenende Vergnügen suchend die Kollektiv und Masse gewordene Mehr-Oder-Weniger-Jugend rhythmisch durch die dunklen Hallen und Flure schiebt, auf Sofas verlustiert und sich gegenseitig mit Flüssigkeiten benetzt, immer auf der Suche nach dem passenden Partner für Nacht oder Leben, erscheint dem politsensiblen Beobachter die an vielen Orten beklagte und zur Ursache ebenso vieler Übel erklärte Vereinzelung der über alle identitären Grenzen hinweg im Rausch Vereinten aufgehoben und für den Moment die Welt einer besseren ein kleines Stück näher. Angesichts des sich notgedrungen einstellenden Katergefühls am nächsten oder übernächsten Tag, die der Verwunderung über die eigene Offenheit und die Begeisterung an neu erlebten Freuden folgende leichte Beschämung in Anbetracht des eigenen, in der Regel gesellschaftliche Konventionen dezent verletzenden Verhaltens, wird im Zeitalter von Immer-Internet und Zweitcomputer per Knopfdruck und Passworteingabe das andere, einschätzbare, weniger riskante Leben gesucht.
Kaum jemand, der sein virtuelles Zweitleben nicht am Log-In einer der vielen social networks genannten Plattformen für werbefinanziertes Nachrichten-Übermitteln und schlagwortgescanntes Kontakte-Knüpfen beginnt: Ob die begrüßenswert zweck-, nämlich fickenorientierte Mitgliedschaft bei Gayromeo oder ähnlichen der geselligen Körperlichkeit verpflichteten Portalen, die meist unerklärliche Suche nach völlig zu recht aus den Augen verlorenen Schulkameraden bei StayFriends, die in der Regel unnötige Selbstdarstellung bei MySpace, Virb, Facebook oder all die anderen auf eine irgendwie jugendliche, also zumindest in feuchten Werberträumen kaufstark herbei gewünschte Klientel ausgerichteten Angebote des Web ZwoNull – irgendwo macht man immer mit. Mitmachen gehört ja dazu, das kann nicht falsch sein, das muss man sich nicht schlecht reden lassen. Schließlich malte sich selbst Van Gogh rund 30 Mal.
Kaum jemandem ist dabei bewusst, wie sehr man sich dabei zur jederzeit konsumierbaren Marke macht. Öffentlichkeit ist alles und der Markt überall. Wenn mit Tastatur, Maus und userfreundlicher Bedienungsanleitung die Produktionsmittel einem jeden zugänglich sind und so die Grenzen zwischen Produzent und Produkt verfließen, das Image stets im besten Licht und einem immer alles steht, sind wir der fixen Idee des italienischen Philosophen Antonio Negri eventuell näher als gedacht. Dieser träumte angesichts der generellen Verfügbarkeit von Information und Wissen sowie der massenhaften Assoziierung auf Netzwerkebene, wir würden bereits im Kommunismus leben, jener zukunftsmelodischen und verheißungsschwangeren Utopie also, in der gebratene Tauben und gestanztes Glück uns unverdient in die weit geöffneten Münder flögen. Vielleicht hat er Recht. Vielleicht haben wir all das nur noch nicht so richtig gemerkt. Und vielleicht sollten wir uns darüber freuen, einander statt des Sendeknopfes drücken, more kuscheln, less kruscheln und insgesamt der Freude eine Chance geben. Sie hat sie verdient.