SZ: Deutschlands Mitte bröckelt
Für das Schrumpfen der Mittelschicht sehen die Wissenschaftler mehrere Ursachen: Die Single- und Alleinerziehenden-Haushalte hätten zugenommen. Es seien vor allem "bildungsferne Personen" zugewandert. Der Spitzensteuersatz sei gesenkt, Wohngeld und andere Sozialleistungen aber nicht ausreichend an die Entwicklung der Inflation angepasst worden. Außerdem habe der normale sozialversicherungspflichtige Vollzeitjob an Bedeutung verloren.
Wow, was für Ursachen. ^^ Und diese Grafik

sagt natürlich nicht aus, dass es eine Reallohnsenkung gab, sondern dass der Anteil der Mittelschicht, definiert als Anteil zwischen 0,7 und 1,5 vom Medianeinkommen, abnimmt.
Also die meisten beobachteten Statistiken der Einkommensverteilung sind nur Artefakte ihrer Struktur. Die unteren ca. 97-99% des Einkommens sind in sehr guter Näherung log-normal verteilt. Mit der Zeit nimmt die Varianz dieser log-normal-Verteilung zu, damit verschieben sich Mittelwert (hier nicht betrachtet), der Median bleibt hingegen gleich. Skaliert man um, kann man o.B.d.A. einen Median von 1 annehmen, dann bekommt man einen Mittelwert von exp(Var/2) heraus.
Die Mittelschicht ist definiert als 0,7*Median bis 1,5*Median, d.h. hier von 0,7 bis 1,5. Der Anteil der Mittelschicht ist also das Integral der Dichte einer log-normal-verteilten Zufallsvariable mit μ=0 (entspricht Median=1) und Varianz σ^2 von 0,7 bis 1,5. Dies ist eine in σ bzw. σ^2 monoton fallende Funktion. Für steigende Varianz nimmt daher der Anteil an der Mittelschicht ab. Das beschriebene Phänomen ist ebenso, wenn man als Referenz anstatt Median den Erwartungswert nimmt, nur dann nicht mehr so stark, da sich der Erwartungswert mit steigender Varianz vergrößert, im Gegensatz zum Median.
Man kann das gesamte Phänomen also in sehr guter Näherung über einen Parameter, die Varianz der Einkommensverteilung, beschreiben. Die schrumpfende Mittelschicht ist einfach nur ein Artefakt der Tatsache, wie man "Mittelschicht" definiert und das die Varianz ansteigt.
Das die Varianz ansteigt halte ich für nicht sonderlich verwunderlich.
Speziell folgt daraus also nicht die folgende Aussage:
Von den zusätzlichen Wohlstandsgewinnen habe in den vergangenen Jahren nur "eine Elite in der Gesellschaft" profitiert.
Absolut kann der Wohlstand für alle gewachsen sein, nur durch die gleichzeitig höhere Varianz sinkt der Anteil in der so wie oben definierten Mittelschicht. Mit einer anderen Definition von Mittelschicht hätte man das Problem nur noch abgeschwächter, gar nicht mehr oder sogar invers.