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FIFA
Sorge um WM 2010 in Südafrika
Berlin (dpa) - "Afrika ruft" heißt das Motto der Veranstaltungen, mit denen am 7. Juli in Berlin auf die WM 2010 in Südafrika eingestimmt werden soll. Staatspräsident Thabo Mbeki, FIFA-Präsident Joseph Blatter und UN-Generalsekretär Kofi Annan werden das offizielle Logo vorstellen.
Schöne Reden sollen Bedeutung und Chancen dieser ersten Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika preisen. Das ist das Geschehen auf der Bühne. In der Kulisse wachsen die Sorgen, dass dieses globale Weltfest des Fußballs das Land überfordern und wohl nur eine große Kraftanstrengung das Ärgste verhindern könnte.
Für Blatter ist die WM 2006 eine außerordentliche Prestigesache. Er sieht sich als Pionier auch gegenüber dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und möchte zeigen, dass Afrika reif ist für die erstmalige Austragung der größten Sportveranstaltungen. Als wichtigen Helfer hat der FIFA-Präsident den angesehenen ghanaischen Weltpolitiker Annan gewonnen, der zum Jahresende aus dem UN-Amt scheidet. "Er wird bei der Vorbereitung der WM eine unterstützende Rolle spielen", kündete Blatter in einem Gespräch mit dpa an.
Wenn es nach Blatter gegangen wäre, hätte schon die WM 2006 in Südafrika stattgefunden. Das hat der Neuseeländer Charles Dempsey verhindert, als er sich bei der Wahl des FIFA-Exekutivkomitees der Stimme enthielt und somit ein 12:11 für Deutschland ermöglichte. Bei einem 12:12-Unentschieden hätte der FIFA-Boss die entscheidende Stimme für Südafrika gehabt. Inzwischen feiert Blatter die deutsche WM als "die großartigste und stimmungsvollste bisher" und bezeichnet Dempsey als "Hand Gottes": "Ich bin ein gläubiger Mensch. Ich habe ihm gesagt, du warst die Hand Gottes, du hast es gefügt, dass die Weltmeisterschaft zuerst nach Deutschland und dann nach Südafrika kam." Der nach der Wahl von Blatter heftig kritisierte Dempsey ist inzwischen mit der FIFA-Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet worden.
Öffentlich hat der FIFA-Chef die Vorbereitungen in Südafrika bisher nur gelobt. Doch nun spricht er von einem "riesigen Abenteuer, ich darf wegen Kleinigkeiten nicht den Mut verlieren". Seit März sind zwar zehn WM-Stadien in neun Städten festgelegt. Doch vier davon (Kapstadt, Port Elizabeth, Durban, Nelspruit) müssen neu gebaut und sechs (Johannesburg zwei, Rustenburg, Bloemfontein, Pretoria, Polokwane) erweitert und stark modernisiert werden. Die Regierung hat ihren Baukostenzuschlag inzwischen auf 627 Millionen Euro verdoppelt. Doch auch das reicht längst nicht.
Nicht zuletzt wegen der ungesicherten Finanzierung hatte Kapstadts neue Bürgermeisterin Helen Zille das Projekt in der Nähe der berühmten Waterfront erst einmal gestoppt. Schätzungen sagen Kosten von bis zu 200 Millionen Euro voraus. "Bauen wir ein Stadion, oder versorgen wir die Ärmsten mit sauberem Wasser und Abwasser", sagte die energische Frau im März gleich nach Amtsantritt und verwies zugleich auf das Problem der Nachnutzung. Mittlerweile ist ein finanzieller Kompromiss gefunden worden. Über den Standort soll allerdings erst in zwei Wochen endgültig entschieden werden. Der südafrikanische Fußball, der Nationalsport der schwarzen Mehrheit, ist so strukturschwach, dass eine ausreichende Nachnutzung der Arenen unmöglich erscheint.
Weitgehend ungeklärt ist die Verkehrsanbindung der Arenen. In den Städten gibt es so gut wie kein Nahverkehrsnetz. Die von der Regierung zugesagten 14,6 Milliarden Rand (1,6 Mrd Euro) sollen vor allem in die Vergrößerungen der Flughäfen und den Bau von Straßen gesteckt werden. Das Flugzeug ist mangels ausreichendem Zugverkehr das Transportmittel zur Überwindung großer Entfernungen. Um die Bewegungen der Zuschauer zu begrenzen, sollen die Spiele einer WM- Vorrundengruppe möglichst in einer Stadt ausgetragen werden. Der Kap- Staat erwartet 350 000 bis 500 000 ausländische Fußball-Gäste.
Für sie wird die Höhe der Eintrittskarten nur eine geringere Rolle spielen. Nicht aber für den Großteil der Bevölkerung. Bei einer Arbeitslosigkeit zwischen 26 und knapp 40 Prozent und einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 500 Euro sind Eintrittspreise zwischen 16 und 170 Euro (Gruppenspiele) sowie 70 und 853 Dollar (Finale) unerschwinglich. Diese Preisstruktur hat jedenfalls das südafrikanische Organisationskomitee (OK) vorgeschlagen. Bei Spielen der höchsten Liga werden Preise zwischen 1,10 und 8 Euro verlangt. Anders als bei der WM 2006 wird die FIFA die Verteilung der knapp drei Millionen Karten über eine Agentur vornehmen.
Südafrikas OK-Chef Danny Jordaan, dessen 80-köpfiger Beobachtungstrupp bereits nach Südafrika zurückgekehrt ist, lässt sich dennoch nicht entmutigen: "Diese Weltmeisterschaft in Deutschland ist großartig, doch auch wir werden ein Weltklasse-Event machen, nur etwas anders, als afrikanische Feier." Die Fan-Feste sollen noch ausgebaut werden, "das ist für uns ein ganz wichtiges Anliegen. Die Nachfrage wird noch größer sein, weil sich bei uns die Masse der Bevölkerung Eintrittskarten nicht leisten kann". Welche Auswirkungen das auf die Sicherheit hat, lässt Jordaan unerwähnt. Die hohe Kriminalität zählt ebenfalls zu den größten Herausforderungen.
Blatter weiß, dass diese WM der FIFA noch teuer zu stehen kommen wird. Jene 370 Millionen Euro, die sein Verband dem deutschen OK als Zuschuss gewährte, wird als Unterstützung bestimmt nicht ausreichen: In Südafrikas Medien ist bereits von mehr als einer Milliarde Dollar (783 Millionen Euro) die Rede. Die Geldmaschine FIFA wird mit der Südafrika-WM durch TV-und Sponsorenrechte nahezu drei Milliarden Euro generieren und damit mehr als eine Milliarde als bei der Deutschland- WM. Notfalls werde man "vieles allein machen müssen", sagt Blatter, was ganz auf der Linie liegt, die der OK-Chef Franz Beckenbauer mit seiner Aussage vorgegeben hat: "Wir werden die Letzten sein, die bei einer WM noch etwas zu sagen hatten."