Original von DS_Deadpool
Religionssoziologie stellt funktionalisitische Fragen an Religion, also welchen Zweck hat Religion/Glaube etc. für Gesellschaft, das sorgte dann immer für Verwirrung und hitzige Diskussionen mit den auch anwesenden Theologie- und Relgionswissenschaftsstudenten.
Funktionale Fragen zu stellen ist ja ok, da ist man aber wieder in der Soziologie (oder Hirnforschung).
Wenn der Untersuchungsgegenstand aber nicht funktionaler Natur ist (was nützt es, wenn jemand glaubt...) und auch nicht nur pur beschreibend oder klassifizierend (was macht eine bestimmte Religion aus, wie grenzt sie sich von anderen ab), sondern wenn der Untersuchungsgegenstand sich mit moralisch richtigen Handlungsweisen, abgeleitet aus den jeweiligen religösen Überlieferungen und Selbstverständnis, beschäftigt, dann fehlt das eigentlich wissen schaffende.
Original von DS_Deadpool
Ich arbeite an der Uni Hannover (da wo man Jura-Promotionen kaufen konnte

), in einer Zentralen Einrichtung und an der philosophische Fakultät und schreibe an meiner Dissertation zum Thema "Glückspolitik / Happiness Studies". Erstaunlich viel Ökonometrie, mit der ich mich dafür auseinandersetzen muss, aber ich kenne mittlerweile ein paar sehr nette VWL-Doktoranden, die ich mit Fragen nerven kann. Ich hoffe inständig, dass die nicht fertig werden, bevor ich meine quantitativen Daten erhoben und mit Stata/SPSS aufbereitet habe
Die VWL-Doktoranden nutzen SPSS? Sicher, dass du nicht beim Marketing gelandet bist?

Was musst du denn machen, Regressionen?
Original von Xastor
Natürlich ist Religionswissenschaft eine Wissenschaft.
Meiner Meinung nach ist Wissenschaft ist die Erweiterung des Wissens durch Forschung.
So wie es scheint, glaubst du, dass Wissenschaft bedeutet, Erkenntnis über die Realität zu gewinnen.
Da der Mensch aber in seiner Wahrnehmung beschränkt ist (er nimmt nur wahr, was für ihn relevant ist), werden wir nie erfahren können, wie die Welt wirklich ist.
Wenn du also meinst, die Wissenschaft ist dafür da, zu erfahren, wie die Welt wirklich ist, so dürfte es gar keine Wissenschaften geben.
Wir müssen also immer von bestimmten Prämissen ausgehen. Das ist in der Mathematik nicht anders als in der Philosophie oder Religionswissenschaft.
Dies finde ich eine zu einfache bzw. ungenaue Betrachtungsweise. Ich versuche mal, etwas Ordnung hinein zu bringen.
Natürlich haben wir nur eine subjektive Wahrnehmung - aber deswegen komplett eine dem Skeptizismus entlehnte Weltsicht zu vertreten halte ich für überreagiert. Letztlich ist es auch nicht wichtig, ob wir etwas direkt wahrnehmen können oder nur indirekt - am Ende muss eine Wirkung beobachtbar sein (d.h. man braucht einen Input) und dazu braucht es eine gut motivierte bzw. begründete Theorie. Ultraviolettes Licht können wir Menschen auch nicht sehen, aber wir können Apparate bauen und diese messen. Dann gibt es eine Theorie über elektromagnetische Wellen, welche selbst wieder vielfachen Experimenten unterworfen wurde, sowie Theorien aus der Elektrotechnik etc. Vor dieser Gesamtheit an aktuellen Theorien kann man recht gut sagen, dass man UV-Licht messen kann.
In der Wissenschaftsphilosophie gibt es sicher auch bestimmte Prämissen, diese sind aber äußerst schwach. Und die Philosophie ist keine Wissenschaft, wie die Mathematik auch nicht. In der Mathematik gibt man sich bestimmte Axiome vor und daraus leidet man Eigenschaften von bestimmten Objekten ab und fasst wiederum Eigenschaftengruppen zu neuen Objekten zusammen. Es gibt in der Mathematik keinerlei Realitätsbezug, d.h. man kann einen mathematischen Satz nicht durch Beobachtungen der Realität als richtig beweisen. Die einzigen Verknüpfungspunkte zur Realität sind die Axiome der Mathematik. Diese sind aber logisch-abstrakt formuliert und entziehen sich so einer direkten Überprüfbarkeit bzw. Wiederlegbarkeit.
Die Wissenschaft hat im übrigen nicht den Anspruch zu ergründen, wie "die Welt
wirklich ist". Das "wirklich" interessiert einen Wissenschaftler eigentlich nicht, weil er diese Frage sowieso nicht (nie) beantworten könnte. Die Frage nach dem "wie" treibt die Wissenschaft.
Da man das "wirklich" nie beantworten wird können geht es darum, immer bessere Modelle, d.h. vereinfachte Erklärungen für die Realität, zu geben. Die Modelle bilden also Teile der Realität ab und müssen prinzipiell testbar sein - wie könnte man sonst entscheiden, ob es die Realität "gut" erklärt oder nicht? Letztlich möchte man, dass Modelle mit schlechterer Erklärungskraft von Modellen mit besserer Erklärungskraft abgelöst werden.
Natürlich gibt es auch in der Realität die strenge Falsifizierbarkeit á la Karl Popper nicht, aber doch zumindest eine stochastische Falsifizierbarkeit. In einer so hochkomplexen und reflexiven Welt wie der unseren wird man viele Dinge in Modellen einfach ausblenden und zu einer Residualgröße zusammenfassen müssen, welche dann (für uns) stochastisch wirkt. Wir können nicht alle Größen kontrollieren, daher führen wir gedanklich die Stochastik ein und können folglich auch nur bis auf Stochastik entscheiden. Diese Problematik ist in den Sozialwissenschaften größer als in den Geisteswissenschaften, weil die Experimente, so man sie noch in Analogie so nennen möchte, viel weniger kontrolliert (wenn überhaupt) sind und auch viel weniger Beobachtungen zur Verfügung stehen. Nichtsdestotrotz kann man eine Struktur erkennen und Abhängigkeiten postulieren - die dann auch testbar sind. Natürlich ist man hier immer modellabhängig, aber es gibt auch gute Begründungen für bestimmte Annahmen und komplizierter werden kann man auch immer.
Ohne die Forderung nach prinzipieller Falsifizierbarkeit könnte man eine nicht entschiedbare Aussage auch viel wissenschaftlich halten - aber was sagt sie uns den über die Realität aus? Etwas kann entweder so oder anders kommen - damit lernen wir nicht wirklich etwas. Wenn wir sagen etwas kann entweder so oder so kommen, und es kommt anders (dritte Möglichkeit), dann ist es prinzipiell falsifizierbar und wir können etwas lernen. Genau genommen lernen wir nur etwas, wenn diese dritte, noch unberücksichtigte Möglichkeit eintrifft und wir die Hypothese verwerfen müssen - wir lernen dann, das diese Hypothese nicht gilt (wieder klassisch popperianisch). Anders kann man, streng genommen, nicht über die Realität lernen. Mit Stochastik lehnen wir nicht streng ab, sondern nur bei hinreichend großer Evidenz gegen unsere Hypothese. So kristallisiert sich in der Wissenschaft eine Menge von noch möglichen Hypothesen heraus, welche noch nicht falsifiziert worden sind. Wenn man so will nähern wir uns immer genauer asymptotisch einer "Wahrheit" an, ohne sie in endlicher Zeit jemals zu erreichen.
Ein Untersuchungsgegenstand, welcher selbst immun gegen prinzipielle, d.h. auch nur mittelbare und sehr konstruierte Falsifizierbakeit ist wird daher nciht wissenschaftlich sein können. Alle Hypothesen über diesen Untersuchungsgegenstand sind nicht überprüfbar und daher kann man durch sie auch kein Wissen erlangen. Man kann seine Hypothesen natürlich auf logische Konsistenz in sich testen - klar. Aber jede Hypothese muss die notwendige Bedingung der logischen Konsistenz in sich erfüllen, andernfalls ist sie schon als "falsch" konstruiert und unbrauchbar.
Original von Xastor
Nur weil man in Teilbereichen der Religionswissenschaft davon aussgeht (und hinterfragt), dass es Gott gibt, heißt es noch lange nicht, dass das, was danach kommt, nicht das Wissen vermehrt.
Die Existenz von Gott ist prinzipiell nicht überprüfbar. Angenommen es gäbe ihn und er würde irgendwas anstellen, was uns wie ein Wunder vorkommt, dann gäbe es immer noch einfachere Erklärungen innerhalb unserer bestehenden Theorien, welche diese immer erklären könnten. Buschmännern kommen unsere Flugzeuge sicher auch wie Wunder vor. Gott ist damit das Paradebeispiel für etwas, was prinzipiell nicht entscheidbar ist und worüber sich deswegen auch kein Wissen sammeln lässt. Ich kann natürlich immer logische bzw. mathematische Denkübungen machen und mich fragen: Was wäre, wenn Gott existieren würde? Dann würde dies und dies folgen, uswusf. Nur kann man logisch aus solch einer Ableitung nie zu einer testbaren Hypothese kommen (aus der Annahme der Nicht-Existenz von Gott natürlich genauso wenig) - also hat man nicht wirklich Wissen generiert, sondern nur ein Gedankenspiel, ähnlich der Mathematik, auf einem Axiom fussend, betrieben.
Die Mathematik hat wenigstens noch ihre Berechtigung als abstrakte Modellumgebung, welche und die logische Sprache bietet um Sachverhalte darin beschreiben zu können. Aber das Modell hat immer mathematische Annahmen und man bekommt Ergenisse raus, die man testen kann. Fällt der Test negativ aus (und ist die Logik in der Mathematik richtig), so müssen die Annahmen des Modells verletzt sein. Man sagt damit etwas über das Modell selbst aus, nicht über die Realität - oder nur soweit über die Realität, wie man eben sagt das die Realität sich mit diesem Modell nicht gut abbilden lässt. Die Mathematik ist hier aber auch nur die Sprache, die man verwendet. Das argumentieren über Gott schärft vielleicht die Fähigkeit logisch zu denken und diese Fähigkeit kann man einsetzen - aber ich kann damit nichts finden, was wirklich Wissen generieren würde.
Jetzt kann man sich auf den Standpuntk stellen und sagen: Aber wenn ich, konditional unter der Annahme der Existenz von Gott, zu diesen oder jenden logischen Schlußfolgerungen kommen, dann weiß ich etwas konditional zu dieser Annahme. Aber genau dies ist kein Wissen, weil man niemals einen Realitätsbezug herstellen kann und es unendlich viele von solchen Denkspielchen gibt. Ich vermehre nciht das Wissen der Menschheit wenn ich mich frage, was aus der Existenz von einem Quroxel, definiert mit 3 spezifischen Eigenschaften aber prinzipiell unüberprüfbar, folgen würde. Ansonsten würde man die Abgrenzung von Wissen ins Triviale verschieben und könnte qualitatives Wissen über reale Zusammenhänge nicht mehr von hypothetischen Möglichkeiten unterscheiden. Die Konnotationen des Wortes Wissen sind, zumindest für mich, doch so, dass damit nicht mehr potentielle logische abstrakte Gedankenketten gemeint sind sondern doch recht konkrete Aussagen über unsere Welt.
Von Wissen im engeren Sinne zu trennen ist auch Methodik. Methodik sagt mir, wie ich Wissen erlangen kann. Ist die Kenntnis von Methodik schon Wissen? Ich sage nein, weil mir nur die Methodik nichts über die reale Welt sagt. Methodik ist quasi die Grammatik und die Logik, in ihrer gerade angewendeten Form, mit der ich wirkliches Wissen erwerben kann.
Es ist sicher interessant sich Überlegungen über Meta-Wissen (wie ich es nennen will) über wissenschaftliche Methodik zu machen. Aber letztlich ist die Methodik auch wieder überprüfbar daran, wie gut sich mit ihr testbare Hypothesen aufstellen lassen. Die Mathematik hat hier eine herausragende Bedeutung als logische Formalsprache erlangt.
Original von Xastor
Mal ganz abgesehen davon, dass der Untersuchungsgegenstand von Religionswissenschaft definitiv nicht Gott ist. In der Religionswissenschaft geht es um Exegese, Kirchengeschichte, Ethik, praktische Theologie (v.a. Seelsorge u.ä.). Einzig und allein ein Teilbereich der Fundamentaltheologie beschäftigt sich mit der Frage nach Gott, so wie du es hier beschreibst.
Exegese vor welchem Hintergrund? Geschichtlich, d.h. wie Menschen damals oder heute über verschiedene Schriften denken? Oder doch wieder vor dem Hintergrund von abstrakten moralischen Axiomen, welche nciht überprüfbar sind?
Alles, was sich nciht direkt mit Gott beschäftigt kann ja wissenschaftlich sein, man kann es einfach in die jeweiligen Bereiche einordnen. Aber andersherum, alles, was sich direkt mit Gott beschäftigt kann nicht wissenschaftlich sein, wie hinglänglich ausgeführt.
Original von Xastor
Ich könnte genauso sagen, Wirtschaftswissenschaft ist keine Wissenschaft, weil sich Aktienhändler mit Aktien beschäftigen, die ja nur einen virtuellen Wert haben.
Ja genau, dieser Satz war oberflächlich und richtig war er auch nicht!
Warum ein Beispiel bringen, welches von vornherein sinnlos ist?
Das gute an Aktienpreisen ist, dass man sie am Markt beobachten kann. Und für einen (echten) Wissenschaftler haben Aktien keinen "wahren" virtuellen Wert im methaphysischen Sinne, d.h. es gibt nicht das eine wahre Modell, welches es zu finden gibt! Man kann Eigenschaften von Akgtienkursen mehr oder weniger gut beschreiben. Die weniger guten Beschreibungen machen andere (stochastische) Prognosen über bestimmte Eigenschaftend es Kurses wie höhere Momente, (nicht)lineare Abhängigkeiten etc., welche man ind er Realität überprüfen und ggfs. widerlegen kann. Man sagt vielleicht manchmal "wahrer Wert" unter Wissenschaftlern, meint damit aber immer in einem bestimmten Modellkontext einen bestimmten Wert (der da wahr ist). Natürlich ist den Wirtschaftswissenschaftlern (naja vielen... oder zumindest einigen

) bewußt, dass es "den wahren Wert" nicht gibt und die Frage danach schon falsch gestellt ist, nämlich unwissenschaftlich.

Den Wissenschaftler interessiert das "wie", d.h. wie sind die beschreibenden Eigenschaftend es Aktienkurses, wie die Abhängigkeitsstrukturen zu anderen etc. Ein Aktienkurs für sich ist auch uninteressant, man will ja etwas über eine größe Zahl von Aktienkursen oder besser noch, alle Aktien allgemein, aussagen. Den Einzelfall beobachte ich genau einmal, dann ist er vorbei.
Ich hoffe, etwas Licht in die Sache gebracht zu haben. Natürlich könnte man noch viel mehr zur Wissenschaftsphilosophie und ihren jeweiligen Vertretern schreiben, aber ich denke dies würde am kern an der Sache vorbeigehen. Die Essenz habe ich versucht mit einigen Beispielen darzustellen.