Benzin
Ich brauche Zeit, kein Heroin
kein Alkohol, kein Nikotin
Brauch keine Hilfe, kein Koffein
doch Dynamit und Terpentin
Ich brauche Öl für Gasolin
explosiv wie Kerosin
mit viel Oktan und frei von Blei
einen Kraftstoff wie Benzin
Brauch keinen Freund, kein Kokain
Brauch weder Arzt noch Medizin
Brauch keine Frau, nur Vaselin
etwas Nitroglyzerin
Ich brauche Geld für Gasolin
explosiv wie Kerosin
mit viel Oktan und frei von Blei
einen Kraftstoff wie Benzin
Gib mir Benzin
Es fließt durch meine Venen
Es schläft in meinen Tränen
Es läuft mir aus den Ohren
Herz und Nieren sind Motoren
Benzin
Willst du dich von etwas trennen
dann musst du es verbrennen
Willst du es nie wieder sehen
lass es schwimmen in Benzin
Ich brauch Benzin
Gib mir Benzin
Absolut kein Problem:
Bei dem Lied "Benzin" der Gruppe "Rammstein" handelt es sich zum eine zeitgenössische Kritik an der Globalisierung und eine nach ihr gerichtete Gesellschaft.
Der erste und zentrale Halbsatz "Ich brauche Zeit" signalisiert die Kompression der zeitlichen Resource in Folge der postindustriellen, doch nicht postmateriellen Globalisierung in allen kulturellen Kanälen. Der Kleber dieser Entwicklung ist das titelgebende Benzin, dessen metaphorische Bedeutung antizipiert mehrdeutig ist. Zwar ist die ungehemmte Vernetzung in der Kommunikationstechnik und die Öffnung der Weltmärkte tragende Säule der Globalisierung, jedoch identifziert auch und gerade das Benzin die Miniatisierung der Welt und dessen Raubbau durch den Menschen.
Ein weiteres bildhaftes Motiv ist das Benzin in drogenähnlicher Funktion. Der Verbrauch an Benzin und unsere Abhängigkeit daran lässt sich als eine Sucht beschreiben, was durch die vielen Vergleiche im Lied auch geschieht. Im Gegensatz zu funktionslosen Drogen (ausgenommen Koffein) wird Benzin regelrecht gefördert: Jede Region, die am Wohlstand teilhaben will, hat auch eine Tankstelle und propagiert ihre Verfügbarkeit in großen Lettern auf noch größeren Schildern. Diese weltumspannende Veränderung in der Landschaft durch die großen Ölkonzerne wird in Kauf genommen, damit der eigene Wagen auch morgen noch fährt.
So ist es nicht verwunderlich, dass das Lied auch vor Augen zeigt, wie sich das Bild der Menschen in Bezug auf sich selbst verändert. Das Lied beschreibt die Transformation des lyrischen Ichs in eine technokratische Maschine. Das ist vergleichbar mit vielen städtischen Motiven des Expressionismus, die die Mechanisierung der Menschheit in noch größerem Umfang beschreibt. Gab es früher zumindest eine menschliche Seite mit "menschlichen" Drogen wie Koffein, so wird auch das durch das Benzin ersetzt.
Zweifelsohne bekommt das Lied auch eine weitere Dimension, nämlich die der Umweltpolitik. Konkret richtet sich die Gruppe Rammstein, die die Vereinigten Staaten erfolgreich ist, eben gegen jenes Land, dass sich das Motto "on the move" hinter die sternen- und streifenreiche Flagge geschrieben hat. Kritik an den amerikanischen Lebensstil äußerte die Künstlergruppe auch durch das Lied "Amerika".
Das pessimistische Weltbild wird durch eine sprichwörtlich flammende Warnung auf die Spitze getrieben. Es scheint, als ob das lyrische Ich seine Habgier an Benzin stillen kann. Es beschreibt martialisch, wie er damit Dinge verbrennt. Es zeigt das selbstdestruktive Wesen der Menschheit durch die Globalisierung und signalisiert durch dieses flammende Inferno, dass ein Umdenken notwendig ist.
(Wer's nicht merkt, mir ist langweilig und das ist'n Witz)