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  • "der Vigilant" started this thread

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Friday, July 11th 2003, 11:59am

Der Spiegel über Betriebssysteme und Religion

[URL=http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,254875,00.html]Netter Vergleich[/URL]. Poste es hier mal:

Microsoft: Katholizismus
Eine Religion mit deutlich ausgeprägten Hierarchien.

1. Die reinen Anhänger ("User"), von Gegnern abfällig auch "Microslaves" genannt. Sie leben in diesem Glauben, weil es alle tun und weil man ja keine Wahl hat. Der Glaube ist völlig unreflektiert, er ist einfach selbstverständlich. Außerdem gibt es ja schon in der Schule Religionsunterricht an gesponserten Windows-Rechnern. Jedes neue Produkt des Gottes Bill Gates wird angeschafft und bezahlt (Kirchensteuer), selbst wenn das alte noch gar nicht richtig lief.

Aber man lebt ja mit so vielen Gleichgesinnten zusammen, dass man immer gut aufgehoben ist. Alle haben dieselben Probleme - das sind eben die Prüfungen, die Gott einem zwecks Festigung des Glaubens auferlegt. Außerdem gibt es üppig ausgestattete Kirchen (Windows XP mit Multimedia-System, DirectX 9 und DolbyDigital, animierte Ikonen, bunte Bildchen, zappelnde Assistenten), die einem den Glauben so richtig verschönen. Es gibt gar keine Bemühungen, den Glauben rational zu rechtfertigen oder gar minimalistisch zu leben.

2. Die Priester ("Admins", auch "Sysopen" oder "seltsam" genannt) Sie kennen sich in den Tiefen des Glaubens aus und sind in der Lage, komplizierteste Rituale auszuüben, die bei Laien immer wieder ehrfürchtiges Staunen hervorrufen. Sie sind unbeirrbare Anhänger des Glaubens. Auch sie sind der Meinung, dass die Fehler in Windows Prüfungen in der Festigkeit des Glaubens sind.

3. Vatikan ("Redmond", auch "der Campus" genannt) Hier wird die Lehre definiert und festgelegt, was die Gläubigen zu hören/sehen/kaufen bekommen und was nicht. Der Vatikan ist im Besitz des großen Plans und auch der kleinen geheimen Schriften, die einen normalen Gläubigen durchaus wanken lassen könnten. Momentan steht die Kirche unter Beschuss, weil ihr unlautere Taktiken vorgeworfen werden (Inquisition). Aber es sieht so aus, als ob eine kleine Entschuldigung und eine gewisse Liberalisierung ausreichen könnten. Ökumene ist zulässig, solange feststeht, dass Windows das Größte und einzig Wahre ist.

Linux: Evangelische Freikirche

Die Anhänger glauben, dass Gott als Idee in jedem von ihnen lebt und dass Linus Torvalds ihr Prophet ist. Ihre wahre Aufgabe ist das Forttragen des Glaubens und die Gemeindearbeit. Sie legen die heilige Schrift permanent selber neu aus, reflektieren ihren Glauben dauernd und begründen ihn rational.

Auch wenn sie in eine Vielzahl Untergruppen zerfallen sind (die Suselianer, die RedHatter, die Debianer und noch x andere Splittergrüppchen), die darüber streiten, welche Glaubensrichtung die korrekte ist, so haben sie doch alle zwei Dinge gemeinsam: den Erzfeind und Oberteufel Microsoft und einen wahren und feurigen Missionierungseifer.

Ökumene kommt für sie nicht in Frage. Die Welt kann in zwei Lager unterteilt werden: gut (= Linux) und böse (= alles andere, besonders Windows). Sie fühlen sich als die besseren Menschen, entsagen Kommerz und Tand und frönen der reinen Lehre. Wer Software als Eigentum bezeichnet, ist ein böser Mensch, wer auch noch Geld dafür nimmt, ist ein ganz besonders böser.

Hierarchien wie bei Microsoft sind hier noch längst nicht so ausgeprägt - schließlich muss jedes Gemeindemitglied sein eigener kleiner Priester/Admin oder wenigstens Laienprediger sein, um den Glauben wahrhaft leben und begreifen zu können.

Man ist sich jedoch bewusst, dass auf Dauer auch Gläubige gewonnen werden müssen, die keine priesterlichen Ambitionen besitzen. Darum ist man bereit, gewisse Zugeständnisse an den Folklorewillen und die Freude an Tand und Glitzer (KDE) zu machen - solange dadurch die Gemeinde wächst und Microsoft schrumpft. Sie gehen sogar so weit, ihren Glauben dorthin zu tragen, wohin selbst Microsoft kein Windows bringen würde: auf den Mac!

Apple Mac: Die Sekte

Der schon auf die Erde gekommene Prophet der Apfel-Jünger ist Steve Jobs. Dieser erscheint ihnen ein-, zweimal im Jahr (Apple Keynote) und verkündet seine neuesten Wunder. Die Anhänger fallen auf die Knie und bejubeln ihn und seine Produkte als das Beste, Schönste, Wunderbarste, was der Menschheit passieren kann, je passiert ist oder noch geschehen wird.

Sie sind so glücklich mit sich und ihrem Propheten, dass sie es gar nicht nötig haben, sonderlichen Missionarseifer an den Tag zu legen - sie leben ja schon im Paradies auf Erden!

Der Glaube kommt auch so zu dem, der bereit dafür ist. Nur dumm, dass so wenige erkennen, wie toll es einem doch in dieser Sekte geht. Alles ist so easy, alles sieht so super aus, alles funktioniert immer, man muss nichts lernen - man versteht intuitiv! Nimm doch noch 'nen Zug aus der Wasserpfeife.

Sie sind eine kleine Gemeinde, fröhlich Design- und Technik-bekifft, ohne den Ehrgeiz, eine Weltreligion werden zu wollen. Ihr MacOS ist ohnehin das beste und schönste und einfachste Betriebssystem auf der Welt.

Die Mac-Computer sind zwar etwas kostspielig, aber auch besser und hübscher und einfacher als diese komischen Intel-Maschinen. Da macht es auch nichts, wenn man zum Leben und Arbeiten ganz pragmatisch angehübschte Microsoft-Produkte unter MacOS laufen lässt. Wir leben nun einmal in einer christlich geprägten Welt.

Aber widerlich wird es, wenn jemand auf die Idee kommt, das tolle MacOS runterzuschmeißen und stattdessen Linux auf die arme Kiste zu bringen. Das ist, als würde man in den Hallen der Sekte das Kiffen verbieten, alle Fotos vom Sektenführer fortwerfen und dort einen Bibelkreis abhalten.



Ein wirklich passender Bericht :)

2

Friday, July 11th 2003, 1:31pm

STEINBRÜCK :evil:

Der Mensch ist bereit, für jede Idee zu sterben, vorausgesetzt, daß ihm die Idee nicht ganz klar ist. (Gilbert Keith Chesterton)

Dude stellt sich vor....

3

Friday, July 11th 2003, 9:00pm

Lol, nicht schlecht :respekt:

SenF_Ratbo

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4

Friday, July 11th 2003, 10:15pm

ILMT, das Foto vom Steve samt Grinsen und seinen Rechnern passt absolut zum Artikel :D

CID_REDSTAR

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Location: Früher Biel, jetzt St. Gallen

Occupation: Länderanalyst

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5

Saturday, July 12th 2003, 6:17pm

naja der vergleich mit den kirchen ist nicht schlecht. vor allem der teil mit apple :))). aber die evangelischen freikirchen sind zum grossen teil viel fundamentalistischer als 90% aller katholiken und die deutsche evangelische kirche ist ja auch ziemlich hierarchisch organisiert.
interessant wäre der vergleich mit Stalin und den Bolschewisten - mit dem Mittel der Komintern hat er in jedem Land seine treuen anhänger ganz gut unter kontrolle. im notfall werden die ländersektionen gesäubert. es herrscht demokratischer zentralismus (einer befiehlt, dann stimmt die partei dem zu).
bürokratie und tolle fünfjahrespläne sorgen für das problemlose fehlerfreie funktionieren des "systems".
alle wirtschaftssektoren werden übernommen. ziel vollkommene planwirtschaft. das führt zu grossen sicherheits- und planungsproblemen. zahlreiche abstürze sind die folge, das system ist immer überlastet, obwohl man immer mehr ressourcen zur verwendung hat.
geht etwas schief, dann waren es saboteure, kurz volksfeinde genannt. und es geht viel schief, da man an den bedürfnissen der konsumenten vorbei plant und grössenwahnsinnige projekte plant.
durch propaganda (heute werbung) setzt man seinen willen durch und macht den leuten angst, um sie dann nur "zu ihrem schutze" noch stärker zu kontrollieren. (palladium)
man sammelt alle informationen. nur zur sicherheit des "systems" wird auch gegen leute vorgegangen, die noch gar nicht wissen, dass sie mal zu volksfeinden oder saboteuren werden.
will ein kolchosnik in die stadt, muss er zuerst einen inlandpass verlangen und sich registrieren(WIN XP) lassen. ins ausland reisen kann er eh vergessen. im besten fall in sozialistische bruderstaaten (win 95 rumänien, win 98 CSSR, win me=DDR)

ernsthafte traditionelle konkurrenz wurde schon ausgeschaltet: die reformistischen menschewiki (SPD)(vergleichbar mit IBM-betriebssystemen).
die 3.Internationale und stalin beherrschten die kommunistische welt und haben quasi ein marktmonopol.
aber überall in der welt gibt es leute die an etwas anderes glauben, nämlich an die 4.internationale von trotzki. es gibt unzählige kleine varianten dieses links-sozialismus aber alle haben etwas gemeinsam: permanente revolution, rätesystem(basisdemokratisch) und nicht diktatur einer partei alleine, gemeinsame basis von trotzki gelegt, kampf dem bürokratismus und noch ein wichtiger punkt bei trotzki (1927): abschaffung des staatlichen wodkamonopols ;-)
leider sind die theorien der linksoppositionellen oft bissl kompliziert zu verstehen und nicht für alle verwendbar, da sie untereinander nicht 100% kompatibel sind.
von den stalinisten werden sie überall schlecht gemacht, so dass viele glauben, es gebe nur die stalininistische/sowjetkommunistische alternative.
aber alles hat ein ende, auch das grösste monopol ...

tja und was ist mit apple? vielleicht ne form von italienischem faschismus? so ganz frei ist das system ja auch nicht. es gibt sozialistische elemente, totalitäre auch. gleichzeitig legt man wert auf theatralik, design, ist modernistisch - so wie der italienische faschismus von den futuristen toll gefunden wurde ... andererseits distanziert man sich extrem von den kommunisten, die zu den eigentlichen erzfeinden werden, obwohl man viele elemente von ihnen übernommen hat und umgekehrt! (nationalbolschewismus, nationalistische strömungen in der kpdsu und kpd, "aufbau des sozialismus in einem staate" etc.)
schliesslich kommt es zum grossen schock! stalin-hitlerpakt. die ehemaligen todfeinde verbünden sich, nur um bisschen später über sich gegenseitig herzufallen, anchdem es nix mehr zu verteilen gab.

za drushbu narodov ! auf die freundschaft zwischen den völkern!
mir miru ! frieden für die welt!

This post has been edited 1 times, last edit by "CID_REDSTAR" (Jul 12th 2003, 6:19pm)